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  5. Immer wieder neue Beweisanträge - Ende des Jalloh-Prozesses nicht in Sicht

Das Verfahren am Magdeburger Landgericht um den Tod des Asylbewerbers dauert mittlerweile 13 Monate / 80 Zeugenvernehmungen, 8 Sachverständige Immer wieder neue Beweisanträge - Ende des Jalloh-Prozesses nicht in Sicht

Von Oliver Schlicht 17.02.2012, 05:26

Magdeburg l Seit 13 Monaten beschäftigt sich das Magdeburger Landgericht mit dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh. Gestern wurde das Verfahren mit Zeugenbefragungen fortgesetzt. Der 36-jährige Schwarzafrikaner aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamzelle der Dessauer Polizei gefesselt auf einer Matratze verbrannt. Die Umstände sind bis heute ungeklärt. Möglich erscheint eine Verurteilung des angeklagten Polizisten wegen fahrlässiger Tötung im Amt oder wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Auf der Anklagebank sitzt der damals zuständige Revierleiter, Andreas S. Der Dessauer war 2008 am Landgericht Dessau von einer Mitschuld freigesprochen worden. Der Bundesgerichtshof hob 2010 dieses Urteil auf. Deshalb wird der Vorfall in Magdeburg erneut verhandelt.

Für den Prozessbeobachter ist kaum mehr ersichtlich, welche neuen Erkenntnisse das Verfahren noch bringen kann. Nach Angaben des Gerichtssprechers kam es seit dem 12. Januar 2011 an 44 Verhandlungstagen zu etwa 80 Vernehmungen von Zeugen - nur wenige dieser Zeugen hatten mit dem Vorfall direkt zu tun. Insgesamt acht Sachverständige stellten ihre Gutachten vor: drei Rechtsmediziner, zwei Brandsachverständige, ein Toxikologe, ein Chemiker und ein Sachverständiger für Materialprüfung. Bisher haben sich für die Kammer keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass jemand anderes als Oury Jalloh selbst den Matratzen-Brand in der Zelle verursacht hat, so der Gerichtssprecher.

Die Vorsitzende Richterin am Magdeburger Landgericht, Claudia Methling, hatte am 9. Januar 2012 angeregt, die Beweisaufnahme zu schließen. Bis zum 16. Dezember 2011 waren alle Sachverständigen und Zeugen gehört worden. Nach einer Schließung der Beweisaufnahme und den Plädoyers der beteiligten Parteien wäre das Ende des Verfahrens absehbar gewesen. Doch dazu kam es nicht.

Die beiden Verteidiger der Nebenklage - sie vertreten die Familie des Brandopfers - stellten am 9. Januar insgesamt zehn weitere Beweissicherungsanträge, am 19. Januar folgen vier weitere Anträge. Bereits am 13. Januar haben die beiden Anwälte beantragt, einen weiteren Brandsachverständigen zu hören - vorgeschlagen wurde ein Sachverständiger aus Florida in den USA. Diesen Antrag lehnte das Gericht gestern mit der Begründung ab, dass keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien.

Gestern wurden zwei Polizeibeamte und ein Psychotherapeut als Zeugen befragt. Der Psychotherapeut aus Halle hatte einen Polizisten zwei Jahre nach dem Vorfall in einer einzelnen Behandlungssitzung betreut. Der Polizist klagte unter der Last der damaligen Befragungen über psychische Probleme. Darüber gab der Therapeut - befreit von seiner Schweigepflicht - nun Auskunft.

Über eine Stunde zog sich die Befragung eines Polizeibeamten des Landeskriminalamtes hin. Der befragte Jochen H. schilderte, wie er am Tag des Geschehens über den Brand bei der Polizei in Dessau informiert wurde und - einem Erlass des Innenministeriums entsprechend - mit der Ermittlung der Sache noch am gleichen Tag Beamte der Polizeidirektion Stendal beauftragte. Ein bei polizeiinternen Ermittlungen übliches Verfahren. Die Nebenklage-Anwältin, Gabriele Heinecke, war bemüht, mögliche ausländerfeindliche Einstellungen des LKA-Beamten offenzulegen. Ihre teils sehr emotional dargebotenen Fragen nach den Gedanken und Gefühlen des Zeugen bewegten sich am Rande der Sachlichkeit.

Die Anwältin lässt den Gerichtssaal gern zur Bühne ihrer persönlichen Empfindungen werden. Nicht nur in Magdeburg. In Hamburg verteidigt Gabriele Heinecke derzeit Piraten aus Somalia, die nach Übergriffen auf Handelsschiffe am Horn von Afrika verhaftet wurden.