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Interview Dalbert auf Gratwanderung in der Agrarpolitik

Sachsen-Anhalts Agrarministerin Claudia Dalbert (Grüne) erklärt, warum die Käufer von Ackerland gezügelt werden müssen.

Von Jens Schmidt 05.10.2019, 01:01

Magdeburg l Kapitalanleger kaufen Äcker und Agrarbetriebe. Heuschrecken oder willkommene Geldgeber? Unter Bauern ist das umstritten. Ministerin Claudia Dalbert will Monopole verhindern, aber auch nicht jeden Investor verschrecken. Eine Gratwanderung.

Frau Dalbert, Autohändler, Anwälte und andere Anleger kaufen immer mehr Ackerland – bringen aber auch frisches Kapital aufs Dorf. Wo ist das Problem?
Claudia Dalbert: Wenn Kapitalanleger weiter ungezügelt Boden und Agrarbetriebe kaufen, gehen die Preise durch die Decke. Viele unserer einheimischen Bauern können da nicht mehr mithalten.

Hinzu kommen zwei weitere Probleme. Wenn unsere gemeinnützige Landgesellschaft Ackerland aufkauft, um es an bedürftige Landwirte weiterzuveräußern, fällt zweimal Grunderwerbssteuer an. Das verteuert den Boden. Diese Doppelbesteuerung gehört abgeschafft. Und zweitens: Wenn private Anleger Anteile an Agrarbetrieben kaufen, müssen sie keine Grunderwerbssteuer zahlen, so lange die Anteile 95 Prozent nicht übersteigen. Wir fordern, diese Grenze deutlich abzusenken. Beide Forderungen haben wir im Bundesrat eingebracht.

Unter Landwirten ist die Stimmung gespalten. Für die einen sind diese „Neu-Bauern“ Heuschrecken – andere loben sie als einsatzfreudige Unternehmer. Wie soll ein Gesetz die Guten von den Bösen unterscheiden?
Also: Es gibt keine Chance, Investoren charakterlich zu prüfen. Verhindern wollen wir aber eine Machtkonzentration. Wenn zum Beispiel einem Investor in einer Region ein Großteil der Flächen gehört, dann kann er Preise diktieren. Das wollen wir über ein Agrar-Struktur-Gesetz verhindern.

Wie soll das genau gehen?
Das Heft des Handelns liegt jetzt bei den Abgeordneten im Landtag, die hoffentlich bald einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich bin gespannt auf ihre Ideen. Aber klar ist: Wir müssen verfassungskonform definieren, ab welcher Flächengröße in einer Region eine schädliche Machtkonzentration vorliegt und ein weiterer Flächenerwerb nicht mehr möglich ist. Und dann muss geklärt werden, wie wir darauf reagieren. Denkbar wäre etwa, dass Flächen und Anteile in kleineren Portionen verkauft werden müssen, damit Einheimische eine bessere Chance haben.

Kann nicht Sachsen-Anhalt über seine Landgesellschaft Anteile übernehmen – so lange, bis geeignete Landwirte gefunden sind?
Auch das wäre eine Variante – allerdings benötigen wir dann auch deutlich mehr Geld.

Manche Bauern sagen, dass es schwer bis unmöglich ist, immer Nachfolger in der heimischen Region zu finden. Ist es realistisch, orts- und branchenfremde Investoren völlig auszuschließen.
Zunächst: Ich kann jeden verstehen, der in Rente gehen und seinen Anteil an einer Genossenschaft oder Agrargesellschaft zum besten Preis verkaufen will. Wir werden auch nicht verhindern, dass mal Branchenfremde aus einem Nachbarbundesland einen Hof übernehmen. Wir wollen aber den Preisgalopp bremsen und Monopole unterbinden. Landwirtschaft braucht ein Gesicht vor Ort. Es geht um lokale Arbeitsplätze, es geht um Betriebe, die im Dorf auch mal den Winterdienst übernehmen oder Wege freischneiden. Bei auswärtigen Groß-Investoren wächst die Gefahr, dass das alles nicht mehr funktioniert.

Heimische Bauern kommen nicht an Äcker, weil denen oft das Geld fehlt. Muss das Land finanziell helfen?
Das machen wir bereits. Wir nutzen dafür EU-Gelder und haben als einziges Bundesland eine Junglandwirt-Förderung bis zum 40. Lebensjahr. Dabei gibt es über fünf Jahre bis zu 70.000 Euro. Zudem helfen wir Höfen, die etwa wegen der Dürre stark leiden: Die Landgesellschaft kauft den Betroffenen Boden ab, so dass sie wieder liquide sind. Nach ein paar Jahren können sie das Land zu einem fest vereinbarten Preis zurückkaufen.

Viele Äcker sind langfristig verpachtet. Stehen diese zum Verkauf, sind sie für junge Landwirte uninteressant – und die Flächen gehen dann doch an Kapitalanleger. Sind sie also machtlos?
Das sind wir nicht – in einem Viertel der Fälle klappt es, und wir können die Äcker an landbedürftige Bauern verkaufen. Aber in der Tat: Viele Flächen sind langfristig verpachtet. Das liegt auch daran, dass gut die Hälfte aller Eigentümer nicht hier, sondern in den alten Bundesländern wohnt. Das ist historisch durch Krieg und Teilung entstanden. Viele Alt-Eigentümer hatten nach der Wende ihre Flächen zurückerhalten und sie dann langfristig an die bestehenden Agrarbetriebe verpachtet. Daran können wir allerdings nichts ändern.