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Kriminalität Streit bis aufs Messer

Die Zahl der Gewalttaten mit Messer ist seit 2012 in Sachsen-Anhalt um 20 Prozent gestiegen. Experten fordern präzise Statistiken.

Von Matthias Fricke 07.05.2018, 01:01

Magdeburg l Messerangriffe bei Gewalttaten wie Mord, Totschlag, gefährlicher Körperverletzung, Raub und Vergewaltigung sind seit 2012 von 607 auf 724 gestiegen. Zudem nahm auch der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger zu. Danach lag das Verhältnis 2012 noch bei etwa 17 Prozent, 2017 schon bei 33 Prozent. Das ergab eine Auswertung der Fälle im Landeskriminalamt. Etwa die Hälfte der Angreifer war unter 25 Jahre alt. Es fällt außerdem auf: Während im Jahr 2012 noch unter den fünf häufigsten Nationen nichtdeutscher Tatverdächtiger der Irak (17), Syrien (10), Türkei, Vietnam und Russland mit jeweils fünf Fällen eine Rolle spielten, waren es im vergangenen Jahr die Nationen Syrien (64), Afghanistan (40) Irak (12), Guinea-Bissau und Algerien mit jeweils elf Tatverdächtigen.

LKA-Sprecher Andreas von Koß schränkt bei der Erhebung aber ein: „Da das Tatmittel Messer kein Pflichteintrag im Gegensatz zur Schusswaffe ist, sind die Daten aber möglicherweise nicht vollständig.“ Es konnten demnach nur Fälle gezählt werden, bei dem ein „Messer“ auch als Gegenstand in die Statistik eingetragen wurde. Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter ist die fehlende statistische Erfassung ein entscheidendes Manko. Landesvorsitzender Peter Meißner: „Nur wenn wir die Größenordnungen dieses gefährlichen und unglaublich brutalen Trends genau kennen, sind wir in der Lage, wirksame Maßnahmen zu ergreifen.“ In Nordrhein-Westfalen soll diese statistische Erfassung ab 2019 Pflicht werden. Sachsen-Anhalt hält sich noch mit einer Entscheidung zurück und wartet auf eine Empfehlung der Innenministerkonferenz. „Wenn das Votum der Experten für eine statistische Erfassung von Messerangriffen ist, dann wäre ich auf jeden Fall für eine bundeseinheitliche Regelung“, erklärt Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU).

SPD-Innenexperte Rüdiger Erben setzt sich für die statistische Erfassung ein. „Ich halte es durchaus für erforderlich, das zum Pflichtfeld zu machen.“ Es sei äußerst wichtig, einen deutschlandweiten Überblick über dieses Phänomen zu bekommen. Das habe auch nichts mit mehr Bürokratie zu tun.

Die AfD will, dass Sachsen-Anhalt sorfort handelt. Schließlich ist Polizei Ländersache. „Da muss man nicht auf andere warten“, sagt deren Innenpolitiker Hagen Kohl.

Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt findet es wichtig, dass Messerangriffe statistisch verpflichtend erfasst werden. „Es ist doch purer Zufall, wenn ein Opfer nach einem Messerangriff überlebt“, meint Wendt. „Deshalb sollte dies auch als versuchter Totschlag und nicht wie bisher als gefährliche Körperverletzung gewertet werden.“ Dieser Zufall dürfe nicht mehr zugunsten des Täters gewertet werden.

Ganz anders sieht das der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Uwe Petermann, der Defintionsprobleme ausmacht: „Die Spannbreite ist da einfach zu groß. In einem solchen Fall müssten die Beamten auch alle anderen Tatmittel wie Zaunlatten und Baseballschläger erfassen. Das halte ich für unnötig.“ In einem Punkt stimmt Petermann aber seinen Kollegen der anderen Gewerkschaften zu: „Die Angriffe müssen konsequenter geahndet werden.“

Nach einer Welt/Emnid-Umfrage unterstützen 76 Prozent der Befragten die Forderung, Messerattacken in Zukunft immer als Mordversuch zu werten und zu bestrafen. 21 Prozent finden das falsch. Bei den über 50-Jährigen sind sogar 85 Prozent für eine Mordversuchsanklage nach Messerangriffen, nur zwölf Prozent finden das nicht richtig.