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Kriminalpolizei Sachsen-Anhalts Kripo kaputt gespielt

Der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Peter Meißner über den Zustand der Kriminalpolizei.

Von Matthias Fricke 17.12.2019, 00:01

Wie ist es um die Ermittler in Sachsen-Anhalt bestellt?
Peter Meißner: Nicht gerade rosig. Leider haben wir in den vergangenen Jahren eine massive Beschneidung in unserem Bereich feststellen müssen, die so schnell nicht auskuriert werden kann. Das hatte auch politische Hintergründe. Wir müssen feststellen, dass das Personal gerade in der Kriminalpolizei immer weiter zurückging und auch die spezialisierte Aus- und Fortbildung vernachlässigt wurde.

Über welche Größenordnungen sprechen wir denn in Sachsen-Anhalt?
Es gibt in Moment in Sachsen-Anhalt 5900 Vollzugsbeamte. Das ist die offizielle Zahl. Davon sollten 25 bis 30 Prozent bei der Kriminalpolizei arbeiten, also in den Revierkriminaldiensten, Fachkommissariaten und im Landeskriminalamt.

Und wie viele sind es tatsächlich?
Ich gehe davon aus, dass es tatsächlich weniger sind, weil viele Kollegen aus angrenzenden Bereichen gerne mitgerechnet werden. Aber selbst wenn es tatsächlich so viele sind, wäre es immer noch zu wenig. Die Kripo geht auf dem Zahnfleisch. Vor allem, weil wir auch in den vergangenen Jahren verschiedenste Kriminaliätsphänomene dazu bekommen haben, die eine hohe Expertise benötigen.

Welche sind das zum Beispiel?
Die ganze Palette der Internetkriminalität, die immer global werdendere Wirtschaftskriminalität, der Terrorismus in all seinen Formen und auch das Feld Clan-Kriminalität. Hinzu kommen weitere Straftaten im Zusammenhang mit Migration, die die Polizei vor neue Herausforderungen stellt. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur die Sprachbarrieren und die Auseinandersetzung mit fremden Kulturkreisen nennen. Kurzum: Wir haben ein stetig wachsendes Arbeits­pensum bei sinkendem Personalbestand. Die Politik hat das glücklicherweise erkannt und lenkt, zumindest was die Polizei insgesamt betrifft, mit Einstellungsoffensiven ein.

Das heißt aber nicht, dass es bei der Kriminalpolizei genauso sein muss ...
Richtig. Denn es gibt hier auch noch eine Besonderheit. Kriminalbeamter ist ein Erfahrungsberuf. Die erfahrenen Kollegen gehen jetzt aber reihenweise in den Ruhestand. Natürlich kommen da auch neue motivierte Beamte nach. Doch die können aber natürlich noch nicht die Erfahrung haben. Jeder Handwerksmeister weiß, was ich meine. Denn Kriminalpolizei ist nun mal auch ein Handwerk.

Es muss doch so etwas wie einen Masterplan geben, um diese Probleme anzugehen?
Nochmal. Es sind viele Bereiche in den vergangenen Jahren regelrecht kaputt gemacht worden. Ich nenne da als Beispiel die Morduntersuchungskommission oder die Kriminaldauerdienste, die es nur noch in zwei Polizeiinspektionen in abgespeckter Form gibt. Diese Feuerwehr der Kripo ist aber wesentlich für einen vernünftigen ersten Angriff am Tatort. Auch den zivilen Streifendienst, Brandursachenermittler und Bereich der organisierten Kriminalitätsbekämpfung gibt es inzwischen so nicht mehr. Das waren alles Bereiche, die sich bewährt haben, aber durch Umstrukturierungen einfach abhanden gekommen sind. Wenn so etwas wegfällt, verschwinden auch die Kompetenzen. So etwas wieder aufzubauen, ist extrem schwer.

Gibt es nun einen solchen Plan?
Es gibt zumindest Überlegungen. Das als Masterplan zu bezeichnen, ist vielleicht etwas übertrieben. Im Innenministerium heißt das ,Strategie-Konzept Kriminalpolizei‘ und darin ist zum Beispiel auch eine Mordkommission wieder eingeplant. Man will damit behördenübergreifend Kompetenzen bündeln. Das ist aus unserer Sicht gut. Man versucht mit Einzelmaßnahmen gegenzusteuern. Das begrüßen wir. Aber es sind eben nur Ansätze und der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Was muss denn nach ihrer Meinung passieren?
Wir brauchen eine klare Aussage, dass die Kriminaliätsbekämpfung im Land Priorität hat. Da reicht ein einfaches Lippenbekenntnis nicht aus. Die beste Kriminalitätsvorbeugung ist nämlich ihre Bekämpfung. Die Prioritätssetzung sollte sich in den Strukturen widerspiegeln. So müsste es neben dem Landespolizeidirektor auch einen Landeskriminaldirektor geben. Dieser würde dann die Interessen der Kriminalpolizei besser vertreten, als eine Person, die das alles in Personalunion erledigt. Es könnten dann auch entsprechend neue Phänomene rechtzeitig erkannt und Konzepte für Gegenmaßnahmen entwickelt werden. Kurzfristig können die Kommissariate auch durch Kriminalfachangestellte entlastet werden. Andere Bundesländer greifen darauf schon lange zurück. Sie könnten die Kriminalisten erheblich gerade beim Schreiben und Verwalten der Akten entlasten. Dadurch würde wieder Zeit zum Ermitteln frei werden.

Wie soll das ganz konkret aussehen?
Wenn alleine pro Polizeirevier, es gibt 14 im Land, nur fünf dieser Fachangestellte hätte, wäre das schon eine erhebliche Entlastung.

Wie hoch ist denn aktuell die Belastung eines Ermittlers?
Diese dürfte sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben. Das muss man glaube ich ganz realistisch so sehen. In Zahlen ist das natürlich schwer festzumachen.

Die Mutter aller Probleme ist also der Personalmangel?
Ja das stimmt. Und aus dem Grund werden eben erst einmal alle die Baustellen bedient, die vor allem in der Öffentlichkeit besonders präsent sind. Das hat manchmal recht skurrile Ausmaße. So wurden nach dem Attentat in Halle zur Absicherung der Synagogen auch viele Kriminalbeamte für die Bewachung eingesetzt. Das ist per se auch erst einmal in Ordnung. Allerdings bleiben dann auch die Ermittlungsakten liegen. Die bearbeiten sich nicht von allein. Wenn also der Kollege eine Woche lang die Einrichtung sichern muss, hat er die liegen gebliebene Arbeit nachzuholen. Da ist keiner, der ihm das abnimmt. So ist Kriminalpolizei alles andere, nur nicht attraktiv.

Haben Sie dafür noch ein Beispiel?
Noch schlimmer ist aktuell die Motivation im Landeskriminalamt. Funktionierende Arbeitsbereiche werden dort aus­einandergerissen. Wegen akuter Liegenschaftsprobleme verteilen sich Spezialbereiche auf knapp ein Dutzend Standorte in Magdeburg und vor allem Schönebeck. Viele Mitarbeiter wollen sich deshalb schon wegbewerben. So kann man mit den Leuten nicht umgehen.

In den anderen Bundesländern sind in den Landeskriminalämtern Spezialisten und Kompetenzen gebündelt. In Sachsen-Anhalt nicht?
So sollte es zumindest sein. Doch leider sind die Signale anders oder sie kommen nicht richtig an.