Die Erben des Lukullus „Kulinarische Sterne“: So schmeckt Sachsen-Anhalt
Zum achten Mal wurden in 17 Kategorien die „Kulinarischen Sterne“ für die besten regionalen Produkte vergeben. 2024 nahmen 84 Unternehmen mit 117 Erzeugnissen teil.

Magdeburg - Julia Wendenkampf steht in ihrer „Nudelküche“ in der Magdeburger Immermannstraße. Montag und Dienstag sind Produktionstage, mittwochs werden die Spaghetti und Bandnudeln aus Dinkelgrieß bei 20 Grad mild getrocknet, am Donnerstag und Freitag wird die handgemachte Pasta verpackt und verschickt. Kunden kommen aus Sachsen-Anhalt, aber auch aus Niedersachsen, NRW, Bayern – und sogar aus Südtirol.

Im April 2023 hat die 42-Jährige ihre „Nudelwerkstatt“ eröffnet. „Die Idee dazu hatte ich allerdings nicht selbst“, räumt sie ein. „Eine Altmärkerin hat für ihre Nudelproduktion eine Nachfolgerin gesucht und wollte schon die Maschinen einzeln verkaufen. Als ich davon gehört habe, habe ich zugegriffen und die Herstellung nach Magdeburg verlagert.“
Heute hat Julia Wendenkampf 19 Nudelsorten mit verschiedenen Geschmacksnoten im Angebot. Und sie legt größten Wert auf Natürlichkeit und Regionalität. „Das Getreide kommt aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, gemahlen wird es im Erzgebirge, der ,Pfiff’, die Kräuter und Gewürze wachsen in Kölleda (Thüringen). Ein echtes mitteldeutsche Bioprodukt“, sagt sie.
Renner seien die Knoblauch- und die Steinpilznudeln. Sie selbst liebe die grünen Lauchnudeln. „Die duften so schön nach Zwiebel und schmecken auch danach.“ Mit ihren Lauch-Spaghetti hat sie sich beim diesjährigen Wettbewerb „Kulinarische Sterne“ beworben und in der Kategorie „Feinkost“ den 1. Preis abgeräumt.
Insgesamt leuchten seit gestern 17 dieser Sterne mehr am Himmel regionaler Köstlichkeiten Sachsen-Anhalts. Die Preise werden jährlich bei der Veranstaltung des Ministeriums für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten von der Agrar-Marketing-Gesellschaft (AMG) für herausragende Produkte vergeben. Dass sich der Gaumenkitzlerwettbewerb immer größerer Beliebtheit erfreut, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass es 2024 bei der achten Auflage einen Teilnehmerrekord gegeben hat.
Entscheidungen oft sehr knapp
„84 Unternehmen stellten sich am Tag der Entscheidung mit 137 Produkten der Jury“, sagt Doreen Richter von der AMG und fügt an, dass die Entscheidungen in manchen Fällen „recht knapp ausgefallen“ seien.
Eine himmlische Pfarrhaustorte, hellgrüne Lauch-Spaghetti, Bockbier oder Borschtsch wurden verkostet. Alle aus der Produktion von Lebensmittelherstellern Sachsen-Anhalts, die Wert auf das Besondere und auf Natürlichkeit ihrer Angebote legen.
Nicht zu verachten mit Blick auf den Wettbewerb sei die Bewertung der Expertenjury. „Durch sie werden die Produkte hinsichtlich von Geschmack, Optik, Verpackung und Innovationsgeist bewertet. Das ist mitunter ein willkommener Leitfaden, um ein gutes Produkt noch besser zu machen“, weiß AMG-Geschäftsführer Jörg Bühnemann.
Zu den regionalen Lebens- und Genussmitteln, die die Geschmacksnerven der Jury überzeugten, gehört auch der Blauschimmelkäse der „Bauer Freigeist“ GmbH aus dem Gardelegener Ortsteil Wiepke. Ein Produkt, dass in seiner Machart in Deutschland seines Gleichen sucht. Linda Becker von der Molkerei und Käserei, die 2019 gegründet wurde und Bio-Weidemilch direkt vom Hof zu Quark, Joghurt und Käse verarbeitet: „Vergleichbare Käsesorten gibt es in Frankreich und England.“ Nachgefragt sei der „Blaue“ in der Gastronomie und in Spezialgeschäften. „Dieser Käse hat einen hohen Wiedererkennungswert im Aussehen – und auf der Zunge.“
Auszeichnung mit „Doppelwumms“
Übrigens hat der Betrieb 2024 gleich den „Doppelwumms“ geschafft, denn auch der „Rote-Beete-Eintopf“ schaffte es auf Platz eins – in der Wettbewerbskategorie „Verzehrfertige Gerichte“.
Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) sieht in regionalen Produkten ein Stück Identifikation mit dem Bundesland. „Mit diesen Sternen möchten wir nicht nur die kreativen Talente unserer Teilnehmer würdigen, sondern auch ihre unermüdliche Arbeit und Hingabe. Damit schaffen sie die Grundlage für kulinarische Spitzenprodukte und spiegeln die Identität mit unserer Region wider.“

Der Familienbetrieb von Jochen und Jutta Dettmer bewirtschaftet seit Mai 2017 einen sogenannten Ab-Hof-Verkauf mit Spezialitäten aus besonders tiergerechter Haltung im Flechtinger Ortsteil Belsdorf. Mit ihrer geräucherten Rotwurst vom Duroc-Schwein – eine ältere Hausschweinrasse, die besonders für ihr intramuskuläres Fett bekannt ist und für den besonderen Geschmack der Produkte sorgt. Der „Hof an der Eiche“ ist auf dem Parkett der „kulinarischen Sterne“ kein Unbekannter. Bereits im vergangenen Jahr wurde der Betrieb von der AMG für die Schmorwurst vom Jungschaf mit einem Stern ausgezeichnet.
Der Schirmherr der Sternevergabe, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, bricht eine Lanze für den Wettbewerb: „Hier begegnen sich Innovation und Tradition auf beste Art. Zu jedem ihrer Produkte können die Erzeuger eine Geschichte erzählen. Nicht selten beginnen sie bereits Generationen zuvor im Familienbetrieb.“ Das sei es, was ihn neben der geschmacklichen Qualität immer wieder begeistere, so Haseloff.

In der Wettbewerbskategorie „Spirituosen“ hat die „Lutherhof Manufaktur“ von Kai und Marlen Luther im Aschersleber Ortsteil Drohndorf mit ihrem Likör „Gelbe Himbeere“ die Nase vorn. „Luther“? Da war doch was.? Richtig, der Reformator. Seit 1536 befindet sich der historische Gutshof im Familienbesitz der Nachfahren von Jacob Luther, dem Bruder Martin Luthers. „Ganz im Sinne der Tradition des Großvaters, dessen handschriftliche Likörrezepte uns inspirieren, stellen wir aus Früchten, die auf Feldern und Wiesen der Umgebung wachsen, unsere Produkte her“, so Kai Luther. „Alle Zutaten werden liebevoll von Hand verlesen, angesetzt und abgefüllt.“
„Genutzt wird, was verfügbar ist“
Die Philosophie des Unternehmens beschreibt Luther so: „Möglichst viele Früchte und Kräuter aus eigenem regionalem Anbau verarbeiten und dabei rücksichtsvoll und nachhaltig mit der Natur umgehen.“ Die Formel sei eigentlich ganz einfach: „Genutzt wird, was verfügbar ist. Ein begrenztes und wechselndes Sortiment sehen wir nicht als Manko, sondern als natürliche Variation an, so wie sie die Natur anbietet.“
Aus dem „Nudelwolf“ der Pasta-Manufaktur von Julia Wendenkampf schlängeln sich Spaghetti. Sie füllt Teig mit der Konsistenz von feuchtem Sand nach. Dann zeigt sie auf eine Verpackung mit violetten Bandnudeln. „Mein jüngstes Produkt – Aronia (Apfelbeeren)-Nudeln.“
Deie Sterne-Gewinner
Brotaufstrich: Honig „Silphieblüte“, Imkerei „Storchenhof Wormsdorf“ (BK). Seltene, duftende Honigsorte mit kräftigem, leicht sauren Geschmack.
Feinkost: „Bio-Spaghetti-Lauch“, „Die Nudelwerkstatt Magdeburg“, Bio-Nudeln aus Dinkelgrieß mit bestem Geschmack und hohem Innovationsgeist.
Fleisch-/Wurstwaren (gegart): „Geräucherte Rotwurst vom Duroc“, „Hof an der Eiche“ Jochen Dettmer, Belsdorf (BK). Wenig Fett, viel Schmelz, edle Rauchnote.
Verzehrfertige Gerichte: „Borschtsch-Bio-Rote-Beete-Eintopf“, „Bauer Freigeist“ GmbH, Wiepke (AK SAW). Würziger, vollmundiger Eintopf.
Molkereiprodukte: „Crazy Berni Blue“ – Bio-Schimmelkäse Roquefort-Art, „Bauer-Freigeist“ GmbH, Wiepke. Zart schmelzender, langsam ausgereifter Blauschimmelkäse.
Süßwaren/Snacks: „Süße Symphonie“, „Eismanufaktur Guse“ Magdeburg. Box mit dreierlei handgefertigten Schokopralinen.
Backwaren: „Quedlinburger Pfarrhaustorte“, Zusammenspiel von Pflaumenmus, dunkler Schokolade, karamellisierten Walnüssen, Rum, „Café & Restaurant zum Roland“ Quedlinburg.
Bier: „Böllberger Bock“, „Lebenshilfe e. V. Halle“, kupferfarbenes Bräu mit süffigem Malzaroma und leichter Kaffeenote.
Brot: „Original Bäcker Bierbrot“, „Bäckerei Thomas Ebenrecht“, Teicha (SK), luftiges Bierbrot mit kräftiger Kruste, gefertigt aus einem Drei-Stufen-Natursauerteig.
Fleisch- und Wurstwaren (gereift): „Pfefferbeißer“, „Leicoma Agrar- und Handels BV & Co. KG“ Wettin-Löbejün, Gimritz (SK), feuriges Würstchen vom Leicoma-Schwein, rauchige Note, Pfeffer.
Gewürze und Öle: „Sauerkirsch-Balsam-Essig“, „Obsthof Müller“ Querfurt (SK), zartfließender, süßlich -sanfter Balsamico mit Sauerkirschnote.
Kaffee: „Finca El Flamingo“, „Kaffeerösterei Roy GbR“ Halle, aromatischer Kaffee mit süßer Mandelnote und dem Geschmack fruchtig-roter Äpfel.
Spezialitäten: „Apfel-Aprikose-Mark“, „Obsthof Müller“, Querfurt (SK), Apfel-Aprikose-Kompott.
Spirituosen: „Lutherhof Likör Gelbe Himbeere“, „Lutherhof Manufaktur“ Aschersleben, Drohndorf (SLK), leckerer Likör mit feinstem Aroma gelber Himbeeren.
Frucht- und aromatisierte Weine: „Rosalie Apfelsecco“, „Obstproduktion Höhnstedt GmbH“ Salzatal (SK), prickelndes Ergebnis aus Kooperation mit Weingut Herzer, leichter Geschmack, fruchtiges Apfelaroma.
Wein/Sekt: „Weißwein Cuvée – Soulwine Saale-Unstrut DQW“, „Weinhaus Siegmund & Klingbeil GbR“, ausgeprägte Holznote, Aromen des Cuvée aus Silvaner, Riesling, Sauvignon blanc.
Jurypreis: „Hohenweider Brotschwein“, „Bäckerei Ramm“, Hohenweiden (SK), Dampfofen-Brotteig mit Krustenbraten und Sauerkraut.