Amokfahrt von Magdeburg Neue Fragen zum Attentäter: Warum wurde Taleb A. trotz früherer Verurteilung in den Landesdienst eingestellt?
Trotz eines Gerichtsurteils gegen ihn aus dem Jahr 2014 wurde der spätere Amokfahrer von Magdeburg 2020 als Facharzt in den Landesdienst in Sachsen-Anhalt eingestellt. Die FDP im Landtag fordert Aufklärung.

Magdeburg - Vor der konstituierenden Sitzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am Donnerstag zur Amokfahrt von Magdeburg mit sechs Toten und rund 300 Verletzen verlangt die FDP im Landtag Aufklärung zur Beschäftigung des späteren Attentäters im Landesdienst.
„Uns treibt die Frage um, wie jemand wie Taleb A., der bereits aktenkundig und in ein strafgerichtliches Verfahren verwickelt war, überhaupt an so einem sensiblen Bereich im Maßregelvollzug arbeiten konnte“, sagte FDP-Politiker Guido Kosmehl der Volksstimme am Montag.
Wir wollen wissen: Gab es Dinge, die von Mitarbeitenden in Bezug auf Taleb A. kritisch hinterfragt wurden oder nicht.
Guido Kosmehl, FDP-Innenpolitiker

Offenbar habe es eine unterschiedliche Wahrnehmung von Kollegen und der Leitung der Klinik gegeben, in der A. arbeitete. „Wir wollen wissen: Gab es Dinge, die von Mitarbeitenden in Bezug auf Taleb A. kritisch hinterfragt wurden oder nicht“, betonte Kosmehl.
Salus gGmbH verteidigt Beschäftigung von Taleb A. in Bernburg
Der frühere Arbeitgeber von A., die Landestochter Salus gGmbH, verteidigte dessen Beschäftigung gegenüber der Volksstimme: „Weder zum Zeitpunkt der Einstellung noch zu einem späteren Zeitpunkt lagen dem Arbeitgeber behördliche Mitteilungen vor, die Zweifel an der Zuverlässigkeit von Taleb A. hätten wecken können oder müssen“, sagte Sprecherin Franka Petzke.
Der aus Saudi-Arabien stammende A. war demnach seit März 2020 bis zu seiner fristlosen Kündigung am 23. Dezember – drei Tage nach dem Anschlag – bei der Salus als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug Bernburg beschäftigt.
Die berufliche Qualifikation von Taleb A. ist behördlich (...) geprüft und bescheinigt.
Franka Petzke, Sprecherin Salus gGmbH
Zur Einstellung 2020 ergänzte Petzke: „Die berufliche Qualifikation von Taleb A. ist behördlich (...) geprüft und bescheinigt. Ihm wurde durch die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern die Anerkennung als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ausgesprochen.“
Strafurteil von 2014 war im Führungszeugnis wegen Gesetzesvorgaben getilgt
Die Salus habe sich bei der Einstellung auch ein Führungszeugnis vorlegen lassen. Ein Urteil gegen ihn aus dem Jahr 2014 sei darin aber nicht mehr vermerkt gewesen, weil es wegen des Strafmaßes laut Gesetz nach fünf Jahren zu tilgen war.

Hintergrund des Urteils: A. hatte der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern bereits 2013 Handlungen angedroht, die international Beachtung finden würden und auf den Anschlag von Boston verwiesen. Anlass der Drohung waren laut Kammer offene Fragen zu seiner bevorstehenden Facharztprüfung. Das Amtsgericht Rostock verurteilte A. daraufhin 2014 wegen Störung des öffentlichen Friedens.
Salus: Gefährderansprache blieb ohne Information an den Arbeitgeber
Auch dass A. später erneut mit den Behörden in Konflikt geriet, war der Salus nach eigenen Angaben nicht bekannt. So wurde er im Oktober von Polizisten für eine Gefährderansprache am Arbeitsort aufgesucht. „Der Grund (...) dieses Kontaktes wurde uns nicht mitgeteilt“, sagte Franka Petzke. Nachfragen dazu seien wegen der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter unterblieben.
Auch die Social-Media-Aktivitäten von A. waren der Salus nach eigenen Angaben nicht bekannt. A. hatte bei „X“, wo ihm zuletzt 43.000 Nutzer folgten, bereits im Dezember 2023 gepostet: „Würden Sie es mir verübeln, wenn ich wahllos 20 Deutsche töten würde, weil Deutschland gegen die saudische Opposition vorgeht?“
Auffällig waren häufige Krankmeldungen, ab 2023 Verpflichtung zur Attest-Vorlage
Die Salus-Sprecherin ergänzte aber: „Auffällig waren seine häufigen Krankmeldungen.“ In der Folge sei ihm im September 2023 die Möglichkeit zur Inanspruchnahme sogenannter KoK-Tage (krank ohne Krankenschein) entzogen worden.
Guido Kosmehl sagte zu diesen Punkten: „Auch zu den häufigen Krankmeldungen von Taleb A. ergeben sich für uns Fragen: Wurde mit ihm darüber gesprochen und wenn ja, welche Schlüsse zog die Klinikleitung daraus?“ Einen genaueren Blick wolle man zudem auf die Gefährderansprachen werfen. „Die Frage ist, inwieweit hier der Arbeitgeber hätte einbezogen werden können und müssen.“