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Arbeitswelt DRK in Sachsen-Anhalt testet Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn

Mit dem DRK testet erstmals ein großer Arbeitgeber in der Gesundheitsbranche in Sachsen-Anhalt eine Vier-Tage-Woche – bei vollem Lohnausgleich. Kommt bald die Vier-Tage-Woche für alle?

Von Alexander Walter und Robert Gruhne Aktualisiert: 03.02.2023, 22:06
Ein junger Pfleger betreut einen Rentner im Seniorenheim. Als erstes großen Unternehmen der Pflegebranche führt der DRK-Kreisverband Sangerhausen 2024 testweise eine Vier-Tage-Woche ein.
Ein junger Pfleger betreut einen Rentner im Seniorenheim. Als erstes großen Unternehmen der Pflegebranche führt der DRK-Kreisverband Sangerhausen 2024 testweise eine Vier-Tage-Woche ein. Foto: dpa

Magdeburg - Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Sangerhausen testet ab 2024 für zwei Jahre ein neues Arbeitsmodell. Statt 40 Stunden müssen die knapp 400 Beschäftigten nur noch 36 Stunden pro Woche arbeiten. Die Arbeit wird auf vier Tage statt auf fünf Tage verteilt – heißt: ein ganzer Tag pro Woche ist zusätzlich frei.

„All das machen wir bei vollem Lohnausgleich“, sagt Vorstandschef Andreas Claus. Effektiv entspreche der Schritt sogar einer Lohnsteigerung von 11,2 Prozent.

DRK: Widerstandsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter steigen deutlich

Laut Claus ist der DRK-Kreisverband der erste große Arbeitgeber der Gesundheits- und Pflegebranche bundesweit, der den Weg geht. Der DRK-Landesverband unterstützt das Projekt.

Aber warum der Schritt ausgerechnet in Zeiten von Fachkräftemangel und Arbeitsverdichtung?

Claus argumentiert mit der Widerstandsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Studien zeigten, dass diese steige, wenn Beschäftigte einen Tag mehr pro Woche frei hätten – viel stärker als durch eine stundenweise Senkung der Arbeitszeit.

Pflegebranche in Sachsen-Anhalt vor Pensionierungswelle

Die Hoffnung: Der Schritt könnte das DRK als Arbeitgeber attraktiver machen – vor allem auch für ausländische Fachkräfte. Denn: 12500 der 56000 Beschäftigte in der Pflege im Land sind heute älter als 55. Junge Leute fehlen. Nachwuchs muss also schon deshalb auch aus dem Ausland kommen. Deutschland sei allein durch die Sprachbarriere aber längst nicht so attraktiv, wie viele glaubten, sagt Claus.

Das DRK will sein Projekt wissenschaftlich begleiten lassen. Tatsächlich belegen Studien die Effekte der Vier-Tage-Woche bereits: „In einer Befragung von 27 amerikanischen und irischen Firmen, die sie eingeführt hatten, gaben 97 Prozent der Mitarbeiter an, beim Modell bleiben zu wollen“, sagt Philipp Frey vom Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse.

Studien: Vier-Tage-Woche taugt, um Mitarbeiter anzuziehen und zu halten

Das Modell tauge offenbar auch, um Beschäftigte anzuziehen – und zu binden. „Die britische ,Atom Bank’ etwa berichtete von einer Verfünffachung der Bewerbungen“, sagt Frey. Zugleich müsse Konkurrenz mit klassischer Arbeitszeit viel Geld bieten, um Beschäftigte von Firmen mit Vier-Tage-Woche abzuwerben.

Auch Landes-Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) findet das Modell prinzipiell gut: „Unternehmen müssen mit guten Arbeitsbedingungen um Fachkräfte werben. Wenn zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern eine Vier-Tage-Woche vereinbart wird und dies zu leisten ist, ist das zu begrüßen“, erklärt sie.

Im Handwerk in der Altmark gibt es bereits mehrjährige Erfahrungen

Arbeitgeberpräsident Marco Langhof sagte: „Wenn sich ein Unternehmen dafür entscheidet, ist nichts dagegen zu sagen.“ Generell befürwortet auch er die Möglichkeit für flexiblere Arbeitszeiten, hält beispielsweise Regelungen für Ruhezeiten für nicht mehr zeitgemäß. „Wovon ich aber nichts halte, ist, wenn die Vier-Tage-Woche von oben vorgeschrieben wird“, sagt Langhof.

Die Apenburger Landbäckerei in der Altmark setzt derweil schon seit zehn Jahren auf das Modell. Aus der Not heraus musste sie damals neben dem Schließtag Montag auch mittwochs zumachen, weil eine Kollegin fehlte, erzählt Chefin Karin Beier. „Unsere Sorge war, dass der Umsatz einbricht.“ Das aber sei nicht passiert. Heute habe sich das Modell bewährt. „Alle finden es super.“