Sachsen-Anhalt Droht der Grundsteuer-Schock?
Die Finanzämter haben die ersten Grundsteuerbescheide verschickt. Nach der Reform könnte es für Häuslebesitzer teilweise deutlich teurer werden.

Magdeburg - Als er kurz vor dem Weihnachtsfest Post vom Finanzamt erhielt, musste der Magdeburger erstmal schlucken. Mitgeteilt wurde ihm die Höhe des ab 2025 gültigen Grundsteuermessbetrages für sein Eigenheimgrundstück am Stadtrand. Lag der Wert vor zwei Jahren noch bei 42,95 Euro, ist er im Zuge der Grundsteuerreform auf 64,23 Euro gestiegen. Legt man den momentan gültigen Hebesatz von 450 Prozent zugrunde, müsste der Eigenheimbesitzer in zwei Jahren 318 Euro Grundsteuer zahlen. Zuvor hatte das Finanzamt nur 216 Euro verlangt. Das entspricht einer Steigerung um den Faktor 1,5.
Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Gut 225 000 Bescheide haben die Finanzämter in Sachsen-Anhalt bisher verschickt. Viele Betroffene berichten von höheren Messbeträgen. Doch wird die Grundsteuer wirklich auf breiter Front steigen? Das ist keinesfalls sicher.
Denn die Höhe der zu zahlenden Steuer hängt unter anderem von zwei Faktoren ab: Einerseits vom Baujahr der Immobilie, andererseits von der Lage. Da sich in Ostdeutschland bisher die Grundsteuer nach dem Einheitswert von 1935 richtete, könnten sie besonders in Randlagen der Großstädte steigen, weil diese deutlich an Wert gewonnen haben. Auf dem Lande könnte sie für ältere Häuser hingegen sinken.
An entscheidender Stelle sitzen aber die Stadt-und Gemeinderäte. Sie legen die Hebesätze und damit den zu zahlenden Betrag fest. Der Druck auf sie könnte nun steigen, war doch eine zentrale Forderung der Politik bei der Neugestaltung die sogenannte Aufkommensneutralität. Die Kommunen sollen demnach mit dem Inkrafttreten der neuen Regeln nicht mehr Geld einnehmen als vorher. Im Zweifelsfall müssten die Hebesätze also nach unten korrigiert werden.
Kommunen unter Zugzwang
Ob das passiert, ist bisher allerdings völlig unklar. Die jüngere Vergangenheit spricht dagegen. In Sachsen-Anhalt hatten nach Erhebungen der Wirtschaftsberatungsfirma Ernst&Young zwischen 2016 und 2021 51 Prozent der Gemeinden ihre Hebesätze erhöht. Nur 1,4 Prozent entschieden sich in diesem Zeitraum dafür, die Werte zu senken.
Andreas Dittmann, Präsident Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt, gibt zu, dass das Thema Brisanz hat. Umso mehr, „weil seit dem Beginn der Reform Entwicklungen eingetreten sind, die die Haushalte der Kommunen unerwartet belasten.“
Die Verlockung könne groß sein, höhere Ausgaben in Folge der Pandemie und der Energiekrise mit einer höheren Grundsteuer auszugleichen. „Wenn das nötig ist, muss das mit der größten Transparenz erfolgen“, sagt Dittmann. Die Gemeinden „dürfen die Bürger auf keinen Fall für dumm verkaufen.“
Inzwischen formiert sich auf Seiten der Häuslebesitzer der erste Widerstand. So startete der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) im Dezember eine Online-Petition, um die Grundsteuerreform transparenter zu gestalten. Adressat sind jene Länder, die bei der Neuregelung das Bundesmodell anwenden, also auch Sachsen-Anhalt. Der Verband fordert ein Transparenzregister, in dem vermerkt wird, welcher Hebesatz das Grundsteueraufkommen der jeweiligen Gemeinde konstant halten würde.
Besondere Eile, ihre Unterlagen bei den Finanzämtern einzureichen, verspüren viele betroffene Sachsen-Anhalter übrigens nicht. Etwas mehr als eine Million Erklärungen werden erwartet, davon sind bisher 573.196 (56,3 %) abgegeben worden, heißt es vom Finanzministerium. Bis zum 31. Januar haben die Säumigen noch Zeit, ehe die Frist abläuft.
Die Reform der Grundsteuer war nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht das alte Modell als verfassungswidrig erklärt hatte. 2021 nahmen die Kommunen 244 500 000 Euro mit der Steuer ein.