Hochschule Magdeburg-Stendal „Kein Thema ist schräg genug“: Design-Professor führt Magdeburger Studenten zu weltweitem Erfolg
Design-Professor Jan Bäse erklärt im Volksstimme-Interview, warum der Nachwuchs aus der Hochschule Magdeburg -Stendal immer wieder international punktet und wie wichtig Formen für Produkte sind.

Auffallend oft holten Studenten vom Master Engineering Design in der Hochschule Magdeburg-Stendal in vergangenen Monaten weltweit anerkannte Preise. Professor Jan Bäse hat einen Anteil daran.
Volksstimme: Zwei Ihrer Studenten haben jüngst in Mailand den iF Design Student Award erhalten. 2023 holten sich Magdeburger den international renommierten Preis in Istanbul ab. In Ihrem Institut sammeln sich weitere prämierte Projekte. Bauen Sie eine Talentschmiede auf?
Jan Bäse: Auf jeden Fall liegen wir mit der Ausrichtung unseres Studienganges nicht ganz falsch. Das sind keine Zufallstreffer, sondern der Beweis, dass wir großartige Projekte bearbeiten. Wir legen viel Wert auf die praxisbezogene Ausbildung, holen uns Kooperationspartner aus Industrie und Forschung mit ins Boot. So werden wir auf Themen aufmerksam, die wir sonst vielleicht nie gesehen hätten. Die Auszeichnungen zeigen, dass es für die Welt da draußen von Relevanz ist, was wir hier drinnen tun.
Und das ist Ihnen wichtig?
Selbstverständlich. Wir können damit zeigen, wie wir aufgestellt sind und wie wir ticken. Der Praxisbezug, die Zusammenarbeit mit solchen international bekannten Größen wie dem Forschungscampus Stimulate und dem Fraunhofer IFF in Magdeburg oder mit innovativen Wirtschaftsunternehmen ist das, was den Studiengang bekannt macht. Es ist unser Alleinstellungsmerkmal. Die Studienbewerber schauen bei der Wahl der Hochschule oder Uni sehr genau hin. Der Praxisbezug wird als sehr attraktiv wahrgenommen, das spiegeln uns die Bewerber. Wir müssen schon etwas bieten als ein Standort, der nicht unbedingt ein Selbstläufer ist wie Hamburg, Berlin oder München.
Master Engineering Design ist sicher nicht jedem geläufig. Was genau machen Sie und Ihre Studenten?
Zusammengefasst sorgen wir für Optimierung. Bleiben wir beim ausgezeichneten Projekt. Dabei ging es um minimalinvasive Eingriffe am MRT. Auf engstem Raum soll der Chirurg bei bestimmten Operationen gut den Patienten erreichen. Dafür fehlt bis heute eine Positionierungshilfe für die Beine. Die Studenten haben eine Halterung entwickelt, mit der die Mediziner besser arbeiten können. Was so leicht klingt, war sehr knifflig. Sie mussten unter anderem berücksichtigen, dass nichts magnetisch sein darf. Begrenzte Ressourcen so gut wie möglich zu nutzen, Kostenexplosionen zu vermeiden, dem Fachkräftemangel begegnen, Arbeitsbedingungen verbessern, das sind wichtige Aspekte in unseren Projekten.
Was passiert mit solchen Lösungen? Werden sie umgesetzt, oder verschwinden sie in der Schublade?
In der Regel werden sie nicht Eins-zu-eins umgesetzt. Unser Anspruch ist eher, mit unseren Entwicklungen Impulse zu setzen, die interdisziplinär diskutiert werden können. Im Idealfall können die Partner jedoch auch der Meinung sein, dass unsere Entwicklung all ihre Probleme löst und setzen sie genau so um. Das gibt es auch.
Gibt es ein Beispiel dafür?Die Firma Zorn Instruments aus Stendal war sehr interessiert an einem Asphaltprüfgerät, das Studenten von uns erdacht hatten. Sie erhielten einen Werkvertrag und haben ihr Projekt im Unternehmen zur Serienreife gebracht. Ein Asphalttester ist sicher kein Alltagsthema, aber eines, das zeigt, wo wir überall mitdenken.
Wo überall?Überall dort, wo es um Funktionalität geht. Wir lösen die Probleme anderer. Wenn ich beauftragt werde, ein neues U-Bahn-Fahrzeug für Berlin zu entwickeln, betrachte ich das nicht aus meiner persönlichen Sicht, sondern denke mich in die Anforderungen eines Verkehrsbetriebes, aller Nutzer und nicht zuletzt auch des Herstellers hinein. Für mich ist kein Thema schräg genug. Ein Asphalttester – vor dem Projekt wusste ich nicht einmal, dass es so etwas gibt. Oft findet man allerdings gerade in Nischen die perfekten Produkte für Innovationen. Am schwierigsten ist es, wenn man als Industrie-Designer lange nicht der Erste ist, der über etwas Konkretes nachdenkt. Die wirklich guten Ideen sind natürlich die, die nicht ganz offensichtlich sind. Dinge, die man nicht so löst, wie man es schon immer getan hat.
Sie sind selbst eine Mischung aus Forscher und Praktiker. Zu den Arbeiten Ihrer Agentur zählt die aktuelle Wagengeneration des weltbekannten Wahrzeichens von Wuppertal: die himmelblaue Schwebebahn …
Als wir den Pitch gewonnen hatten, waren wir völlig aus dem Häuschen. So etwas macht man nicht alle Tage. So ein Fahrzeug ist mindestens 30 Jahre an der Schiene. Was folgte, haben wir uns allerdings auch nicht träumen lassen – wir haben danach auch Entwürfe für Schwebebahnen in China erstellt.
Viele denken bei Design an Äußerlichkeiten. Was sagen Sie, wenn es heißt, dass Sie als Designer etwas „aufhübschen“ sollen?
Das ist der Worst Case. Das Produkt ist fertig entwickelt, und der Designer soll alles, was nicht funktioniert hat, auf den letzten Metern beheben. Dann gibt es diese Erwartungshaltung, dass Designer sicher ein paar Tricks und Kniffe draufhaben. So funktioniert unsere Arbeit allerdings nicht. Wenn das Produkt fast fertig ist, können wir kaum noch Einfluss nehmen. Darum ist es uns wichtig, von Anfang an dabei zu sein und in einem interdisziplinären Team zu arbeiten. So haben wir die Chance, sehr innovative Produkte zu entwickeln. Designer berücksichtigen einfach eigene Aspekte – gerade hinsichtlich der Benutzung.