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Leseranwältin Bewertung und Meinung im Mittelpunkt

15.09.2025, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Zu den anspruchsvollsten Aufgaben im Journalismus gehört eine, bei der man es auf den ersten Blick vielleicht nicht ahnt: Das Redigieren der Leserbriefe, also deren Auswahl und Bearbeitung bis zur Druckreife. Dafür braucht es Wissen und Können in Presserecht und Medienethik (um den Spielraum der Meinungsäußerung möglichst weit zu öffnen, jedoch vor Hass und Ehrverletzungen zu schützen) und in der Recherche (um Fakten, so weit machbar, gegenzuprüfen, auch wenn die Sorgfaltspflicht weniger umfassend ist als bei journalistischen Texten).

Man muss formulieren können (um treffende Überschriften zu finden) und braucht Feingefühl für das sinnwahrende Kürzen von Beiträgen. Das ist meist notwendig bei Zuschriften, die mehr als die im blauen Kasten auf der Leserseite empfohlenen 500 bis 700 Zeichen umfassen, das entspricht 20 bis 30 Druckzeilen. Autoren müssen mitunter heftig schlucken, wenn ihre mit viel Aufwand formulierte Argumentation auf wenige Sätze reduziert erscheint - verständlich. Wie kann man Enttäuschungen im Vorfeld vermeiden?

Möglichkeit 1: Wenn Leserbriefschreiber keine Kürzung wollen, muss die Redaktion sich daran halten. Sie hat dann nur die Wahl, den Beitrag ganz oder gar nicht zu veröffentlichen.

Möglichkeit 2: Das „Kürzungsrisiko“ selbst verringern, indem man sich auf den eigentlichen Zweck von Leserbriefen konzentriert. Diese sollen die Meinung des Schreibers zum Inhalt von Artikeln vermitteln, die in der Volksstimme erschienen sind. Das sollte natürlich auf Fakten beruhen, im Mittelpunkt steht aber deren Bewertung und nicht ein detaillierter Abriss der Historie oder einer Fachdiskussion.

Zumal hier wieder die Verbreiterhaftung der Redaktion ins Spiel kommt. Je länger die Aufzählung von Fakten, desto mehr Kapazität würde es erfordern, alle dem erforderlichen Gegencheck zu unterziehen. Daher bleibt auch in solchen Fällen realistischerweise nur die Alternative „komplett drucken oder komplett verzichten“.