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Leseranwältin Im Zwiespalt der guten und schlechten Nachrichten

03.11.2025, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Endlich mal gute Nachrichten! Der Magdeburger Hauptbahnhof wurde zum Bahnhof des Jahres gekürt, und die Sachsen-Anhalter gehören laut einer Umfrage zu den glücklichsten Deutschen. So zu lesen in der Volksstimme am vergangenen Dienstag. Aber wie, so fragt sich und uns ein nachdenklicher Leser, passt das mit den anderen Nachrichten in derselben Ausgabe zusammen: Staatsversagen, Vogelgrippe, „Stadtbild“-Diskussion.

Die Antwort: „Gar nicht und zugleich sehr gut“ – nur scheinbar ein Widerspruch. Denn es kommt darauf an, unter welcher gedanklichen Voraussetzung man den Themenmix einer Zeitung betrachtet. Wenn man davon ausgeht, dass alle Themen miteinander zusammenhängen, das eine gar ursächlich für das andere ist, könnte man zu dem Schluss kommen: Das passt überhaupt nicht zusammen, deshalb muss eine der Betrachtungsweisen falsch sein. Plakativ gesagt: Wenn überall Frust und Verzweiflung herrschen, können die Leute nicht glücklich sein. Und wenn die Menschen im Großen und Ganzen zufrieden sind, können sie nicht Wut und Enttäuschung verspüren.

Die Lebenserfahrung lehrt jedoch: So einfach ist es nicht, weil eben nicht alles mit allem zu tun hat. Viele Themen existieren und entwickeln sich unabhängig voneinander. Die Kriege in der Welt haben keinen Einfluss auf die Auszeichnung des Bahnhofs. Man kann mit seiner eigenen Lebenssituation zufrieden sein und zugleich in Sorge, wie es den Kindern und Enkeln ergehen wird.

Redaktionen sind täglich mit dieser Zwiespältigkeit konfrontiert, wenn sie die wichtigsten Themen für die nächste Ausgabe auswählen. Das Ergebnis kann immer nur ein Ausschnitt aus all dem sein, was in der Region und der Welt passiert, niemals das komplette Abbild einer vielschichtigen Wirklichkeit. So gesehen spiegelt eine Zeitung das Leben gerade darum realistisch wider, weil sie weder nur die schlechten noch nur die guten Nachrichten vermittelt, sondern beides nebeneinanderstellt.