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Bundesparteitag Linken-Chef sieht neue Bewegung als Gefahr

Die Linke ist vor dem Bundesparteitag in Leipzig tief zerstritten. Mit Sachsen-Anhalts Parteichef Andreas Höppner sprach Steffen Honig.

08.06.2018, 23:01

Volksstimme: Der Linkspartei steht das Wochenende der Entscheidung bevor. Sahra Wagenknecht oder Katja Kipping – das ist die Frage. Wird es einen Machtkampf geben und wie wird er ausgehen?
Anderes Höppner: Ich kann da keinen Machtkampf erkennen. Diejenigen, die bei uns in den Spitzenfunktionen sind, haben nicht unbedingt Macht, sie tragen Verantwortung. Ich unterstelle jedem Einzelnen, dieser Verantwortung gegenüber der Partei und den Wählern gerecht zu werden. Die Ausgangslage ist klar: Katja Kipping und Bernd Riexinger wollen wieder Parteivorsitzende werden, es gibt keine Gegenkandidaten. Ich wünsche beiden ein gutes Ergebnis, das ist wichtig für die Partei. Dafür tragen auch Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch als Fraktionschef Verantwortung.

Katja Kipping steht für klassische linke Positionen und offene Grenzen für alle. Ist das nicht Wasser auf die Mühlen der AfD?
Natürlich ist die Migrationspolitik ein Diskussionsthema in unserer Partei. Ich halte auch nichts davon, das zu verdrängen. In diesem Streit geht es um Sachfragen: Wie gehen wir mit offenen Grenzen um, mit Flüchtlingen, mit der Asylfrage. Kern ist, ob wir das Thema national oder international betrachten. Ich sage, wir als Linke müssen es international sehen. Es ist aber nicht das einzige Problem. Wir setzen uns in Sachsen-Anhalt für gute Arbeit und gerade für die Fortentwickling des ländlichen Raumes ein. Diese Themen stehen genauso im Vordergrund.

Was muss dafür passieren?
Ich komme selbst vom Dorf aus Kloster Neuendorf bei Gardelegen, wo ich Ortsbürgermeister bin. In den vergangenen zehn Jahren gab es auf dem Land viel Rückbau, Kindergärten und Schulen sind geschlossen worden. Der ländliche Raum ist ausgeblutet. Wir müssen den Leuten aufzeigen, dass wir dafür Lösungen haben.

Welche?
Wir fordern eine auskömmliche Finanzierung der ländlichen Kommunen. Andererseits lässt sich nicht alles an Wirtschaftlichkeit festmachen. Busse müssen auch in kleine Dörfer fahren. Manche Prognosen sind auch über den Haufen geworfen worden – jetzt brauchen wir wieder mehr Kitas und Schulen. In den Städten Magdeburg und Halle gibt es andere Problemstellungen. Gerade in den städtischen Milieus haben wir neue Mitglieder gewinnen können, 2017 waren es über 170. Wir wollen Stadt und Land aber nicht gegeneinander ausspielen.

Zurück zur Bundespartei: Sahra Wagenknecht will eine restriktivere Flüchtlingspolitik. Wie viel Populismus steckt darin?
Sie sagt ganz klar, dass offene Grenzen nicht möglich sind. Das sieht die Masse in der Linkspartei anders. Natürlich muss es Regelungen geben. Dafür diskutieren wir in den Kreisverbänden in Sachsen-Anhalt ein linkes Einwanderungsgesetz. Wir sind damit Vorreiter bei den Linken-Landesverbänden. Ich bin der Ansicht, dass offene Grenzen möglich sind. Europa ist damit groß geworden und Europa ist damit erfolgreich geworden. Das gilt auch international und vor allem dann, wenn Menschen Hilfe brauchen, wenn sie vor Krieg oder wirtschaftlichen Miseren flüchten.

Der Landesverband Sachsen-Anhalt liegt also mehr auf der Kipping-Linie?
Wenn man das so einordnen will. Das entspricht auch unseren Partei- und Wahlprogrammen.

Dann kämen Ankerzentren für Sie nicht in Frage?
Ankerzentren lehne ich definitiv ab.

Das Duo Lafontaine-Wagenknecht sucht sein Heil in einer linken Sammlungsbewegung. Aus der Partei gibt es scharfen Widerspruch – warum?
Von Haus aus bin ich Gewerkschafter und bin 2008 zur Linkspartei gekommen, weil ich die Linke als Sammlungsbewegung gesehen habe. Aus meiner Sicht ist das die Linkspartei immer noch. Bei uns sind sehr viele verschiedene Milieus vertreten, das wird sich auf dem Parteitag auch wieder zeigen. Diese Geschichte wird so nicht funktionieren, weil Sahra Wagenknecht sie von oben durchsetzen will. Ich hätte mir gewünscht, dass dies zuerst innenparteilich diskutiert und nicht über die Medien lanciert wird. Das ist immer ein großer Fehler, da fühlen sich die Genossen nicht mitgenommen.

Das ist Kritik an der Form, wie sieht es in der Sache aus?
Der Ansatz ist ja nicht unbedingt verkehrt, darüber nachzudenken, wie Mehrheiten zu erzielen sind und Menschen um die eigene Bewegung geschart werden können. Ich glaube aber, so wie es angegangen worden ist, wird es nicht von Erfolg gekrönt sein. Wir sind in Sachsen-Anhalt in verschiedensten Gruppierungen, Vereinen, Gewerkschaften und Organisationen unterwegs – das ist schon eine Sammlungsbewegung.

Steckt dahinter nicht auch die Sorge, dass dies das Ende der Linkspartei sein könnte?
Wenn eine neue Bewegung neben der Partei zustande käme, würde das die Linke spalten oder zumindest schwächen. Das ist die Gefahr, die damit verbunden wäre.