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Nachwuchsmangel Azubi-Ticket bis auf Weiteres vertagt

Industrie und Handwerk drängen auf die Einführung eines Azubi-Tickets. Doch das wird wohl so schnell nicht kommen.

Von Alexander Walter 07.06.2018, 01:01

Magdeburg l Die Wirtschaft im Land steht vor einem düsteren Ausbildungsjahr: Nach Schätzungen der Agentur für Arbeit kommen auf 7000 noch offene Stellen ganze 5200 potenzielle Azubis – 2017 gab es 1000 Bewerber mehr. Angesichts der Entwicklung fordern die Industrie- und Handels- (IHK) sowie die Handwerkskammer Magdeburg dringend attraktivere Rahmenbedingungen für Auszubildende.

Ganz oben auf der Liste: Ein einheitliches Azubi-Ticket fürs Land, das Lehrlinge von abschreckenden Fahrtkosten entlasten soll. Im Koalitionsvertrag hatten sich die Kenia-Koalitionäre verpflichtet, die Einführung zu prüfen.

Der Volksstimme liegt jetzt das unter Federführung des Verkehrsministeriums erarbeitete, vorläufige Ergebnis vor – es ist von verschiedenen Ministerien mitgezeichnet: „Die Einführung eines Azubi-Tickets kommt (...) nicht in Betracht“ heißt es darin, denn: Das Land müsste unter anderem mit 25 Verkehrsunternehmen verhandeln, zudem entstünden Kosten von wenigstens zehn Millionen Euro. Die Verfasser favorisieren stattdessen ein anderes Modell, um Azubis schnell zu entlasten. Dazu schlagen sie die Erweiterung einer seit 2010 gültigen Fahrtkostenregelung des Bildungsministeriums vor. Die Richtlinie ist eigentlich zur Erstattung von Internats- oder Fahrtkosten von Berufsschülern gedacht, die weniger als 600 Euro im Monat verdienen und weite Wege zur Berufsschule fahren müssen.

Das Problem: Für die Förderung stehen 2018 nur 120 000 Euro zur Verfügung. Zu wenig, um mehr Azubis zu unterstützen. Bei derzeit rund 40 000 Berufsschülern landesweit kämen rechnerisch ganze drei Euro Zuschuss auf jeden Lehrling. Die Lösung liefert das Papier gleich mit: Um den Bedarf zu decken, müsste das Land die Mittel auf drei Millionen Euro aufstocken. Realistisch ist das aber frühestens zum Haushaltsjahr 2019. Ob es dazu kommt, hängt von den bevorstehenden Haushaltsverhandlungen ab. Die Landesregierung geht am 12. Juni dazu in Klausur.

Geld ist aber offenbar nicht der einzige Hemmschuh. Bislang steht noch kein Termin, an dem das Regierungskabinett über die Vorlage des Verkehrsministeriums beraten wird. Auf Anfrage der Volksstimme weist das CDU-geführte Verkehrsministerium dem Arbeitsministerium von Ministerin Petra Grimm-Benne (SPD) die Verantwortung zu: Als einziges Ressort habe die Behörde die Vorschläge lange nicht mitgezeichnet. „Die vorgetragenen Gründe sind offenkundig sachfremd und nicht nachvollziehbar“, hieß es. Die entstandenen Verzögerungen seien bedauerlich.

Das Sozialministerium, das inzwischen mitgezeichnet hat, begründet sein Zögern wiederum mit Plänen von Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Tullner will die Organisation der Berufsschulen zum neuen Ausbildungsjahr straffen. Häufig wohnortnahe Mischklassen, in denen Azubis verwandter Berufe bislang im ersten Jahr gemeinsam lernen dürfen, sollen weitgehend entfallen. Stattdessen sollen Azubis von Anfang berufsscharf in oft weiter entfernten Fachklassen lernen. Im Ergebnis werden viele Berufschüler längere Wege fahren müssen. „Das verändert natürlich den Bedarf“, sagte Arbeitsministeriums-Sprecherin Ute Albersmann.

Wie auch immer – die Kammern reagieren verschnupft auf das Stocken der Verhandlungen: „Wir sind enttäuscht“, betonte Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg.

Wie er drängt auch die IHK Magdeburg auf spürbare Verbesserungen bereits ab Ausbildungsbeginn im August. In der Kenia-Koalition sorgen auch die Berufsschulpläne Tullners derweil für Unruhe. Die SPD hat eine aktuelle Debatte im Landtag Ende Juni beantragt. Das Bildungsministerium will nun noch einmal mit den Kammern reden. Es werde ein Fachgespräch geben, teilte die Behörde gestern mit. Meinung

Der Kommentar “Falsches Signal aus Sachsen-Anhalt” zum Thema.