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Ironman Noch einmal Hawaii, dann ist Schluss

Jörg Küstermann sorgt dafür, dass Woltersdorf (Ortsteil von Biederitz) beim Ironman Hawaii vertreten ist.

10.10.2019, 23:01

Biederitz l Jörg Küstermann ist ein Wiederholungstäter. Vier Mal konnte er sich in den vergangenen drei Jahrzehnten einen der begehrten Startplätze für den legendären Triathlon im Kona-District auf Hawaiis Hauptinsel Big Island sichern. Das in der Liste nach 1993, 1996, 1997 und 2002 noch 2019 hinzukommt, war nicht geplant, so der 67-Jährige: „Ich hatte meine Karriere eigentlich schon im August in Kalmar schon beendet, in Schweden sollte mein letzter Wettkampf stattfinden.“

Der lief aber so gut, dass der ehemalige Chirurg aus dem Marienstift in Magdeburg den Ironman-Qualifikations-Wettkampf auf Rang 3 in seiner Altersklasse beendete. „Jedem Sieger wird bei der Siegerehrung ein Startplatz für die Weltmeisterschaft auf Hawaii angeboten. Und plötzlich sagte der Erste ab“, sagt Küstermann mit blitzenden Augen. „Mir wurde ganz komisch, als dann auch noch der Zweitplatzierte nicht wollte und dann mein Mann an der Reihe war ...“, fährt Carmen Küstermann fort.

Das fest eingeplante Karriereende dauerte also nur wenige Minuten. „Es muss Schicksal sein, dass ich noch einmal die Chance bekommen sollte, Hawaii als Aktiver zu erleben“, so der ambitionierte Freizeitsportler. Oder der Lohn für seine Mühen. Zu DDR-Zeiten war er ein guter Schwimmer, der es in den Leistungskader schaffte. In den 1980er Jahren begann er mit dem sogenannten Ausdauerdreikampf (so wurde Triathlon in der DDR bezeichnet, kurz A3K). Mit seinem Sohn Nico startete Küstermann 1990 in Frankfurt/Main seinen ersten Triathlon-Wettkampf. „Da wurde meine Leidenschaft erst so richtig geweckt“, so Küstermann, der bis heute 35 Ironman-Wettkämpfe bestritten hat und bei zahlreichen weiteren Triathlons an den Start gegangen ist.

Oft wird der ehemalige Arzt belächelt, wenn er von Woltersdorf aus sein Training startet oder in der Elbeschwimmhalle in Magdeburg seine Bahnen zieht. Während andere den Garten pflegen, ist er auf dem Fahrrad oder in Laufsachen unterwegs. „Es ist die körperliche und mentale Herausforderung, die mich reizt. In erster Linie trete ich gegen mich an. Durch den Sport habe ich außerdem die Möglichkeit, andere Menschen kennenzulernen und viel herumzukommen“, so Küstermann, der Mitglied beim Magdeburger Triathlonclub (MTC) und ein Profi im Amateurbereich ist, wenn man so will. Monaco, Neuseeland, Frankreich – er ist weltweit am Start. Stets dabei ist seine Frau. „Die Triathlonszene ist wie eine Familie und in den vergangen Jahren sehr gewachsen. Wir haben viele Freunde gewonnen“, sagt Carmen Küstermann. Sie ist bei den Veranstaltungen eher mittendrin statt nur dabei und unterstützt und motiviert vom Streckenrand aus. Sie ist der größte Fan von Jörg Küstermann, übt aber auch Kritik: „Wenn er läuft, kann ich einfach nicht mehr hingucken. Das sieht irgendwie komisch aus“, sagt sie mit einem Lachen. Seine Starts werden in die Urlaubs- und Wochenendplanung fest integriert und mit Reisen verbunden und. Mit dem Wohnmobil hat das Ehepaar Tausende Kilometer zurückgelegt und einige unvergessliche Momente erlebt.

Allerdings: Die Leidenschaft hat ihren Preis. „Man muss nicht nur viel Zeit in die Vorbereitung, sondern auch viel Geld in die Ausrüstung investieren“, so Küstermann. Eines seiner Rennräder hat einen hohen vierstelligen Betrag gekostet.Für Schwimmanzug und Laufausrüstung waren in Addition ebenfalls eine viertstellige Summe fällig. Hinzu kommen Startgelder bei den Veranstaltungen sowie die Reisekosten. Durch die spontane Entscheidung, „nun den Glücksfall ‚Hawaii‘ anzunehmen“ fallen als Startgeld über 900 Euro an, für Flüge und Unterbringung sogar ein „sehr hoher vierstelliger Betrag.“ Allein der Transfer der Fahrrads, mit dem Jörg Küstermann die 180-Kilometer-Strecke antreten wird, kostet etwa 400 Euro.

Unterm Strich überwiegt aber der Gewinn, sagen Carmen und Jörg Küstermann übereinstimmend. 1996 gab sich das Paar das Jawort – auf der Ziellinie des Ironman. „Ein bisschen verrückt muss man schon sein“, sagt Carmen Küstermann. So gesehen ist Hawaii ohnehin ein besonderer Ort für das Ehepaar. „Die Stimmung entlang der Strecken ist einmalig, der Zieleinlauf unglaublich. Hawaii soll nun die Krönung meiner Laufbahn sein, dann ist aber Schluss“, sagt Jörg Küstermann eher mit Vorfreude als mit Wehmut in seiner Stimme.

Die Entscheidung hat er nicht aus gesundheitlichen Gründen getroffen. Bis auf zwei Schulterbrüche blieb er von größeren Verletzungen verschont und hat sich eine schlanke Figur erhalten. „Ich war nie krank oder auf Medikamente angewiesen. Aber gegen das Alter kann ich nichts machen“, so Küstermann augenzwinkernd.

Daher sei er ganz froh gewesen, dass er durch den Triathlon in Schweden bereits ein Grundlagentraining absolviert hat und er für Hawaii „darauf aufbauen kann. Die Form muss ich nur irgendwie halten“, so der Ansatz. Konkret sahen die Trainingswochen so aus, dass jeden Tag eine Einheit wie 50 bis 60 Kilometer Radfahren, zehn Kilometer laufen oder schwimmen ansteht, er täglich dreieinhalb Stunden aktiv ist.

Die Tage vor dem Start „nutze ich, um mich an die klimatischen Bedingungen zu gewöhnen und mich wieder mit den Strecken anzufreunden“, lässt er wissen. Im Rennen selbst konzentriert er sich „immer auf den nächsten Abschnitt: beim Schwimmen auf die Wende, auf das Wasser, den Beutel in der Wechselzone, das Fahrrad ...“ Nur beim Laufen sei er „im Tunnel“ und denke nicht mehr nach. Im Idealfall soll es auch so bei Jörg Küstermanns letztem Triathlonstart am Sonnabend so laufen. Etwa 30 Teilnehmer umfasst seine Altersklasse 65 bis 69. Dass seine vier bisherigen „Hawaii-Zeiten“ nur 30 Minuten auseinanderliegen und die Uhr bei seinem schnellsten Ironman bei 11.11.12 Stunden stehen blieb, „spielt dann keine Rolle. Die Hauptsache ist, dass ich durchkomme.“

Bereits im vergangenen Jahr wollte er einen Triathlon in Frankreich nutzen, um seine Karriere zu beenden. „Aber wegen einer Schulterverletzung konnte ich nicht starten. Und so wollte ich nicht abtreten. Auf Empfehlung einer guten Freundin, die wir über den Sport kennengelernt haben, fiel die Wahl daher auf Kalmar als großes Finale“, so Küstermann schmunzelnd. Und wie das ausging, ist bekannt: Mit einem Flug zur bekanntesten Insel im pazifischen Ozean.