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Pädophilie „Kein-Täter-werden“ in Sachsen-Anhalt

Menschen mit pädophilen Neigungen erhalten durch Gemeinschaftsmaßnahme von Sozialministerium Sachsen-Anhalt und Charité Berlin Hilfe.

Von Bernd Kaufholz 17.06.2020, 16:46

Magdeburg l Als erstes Flächenland hat Sachsen-Anhalt Mittwoch gemeinsam mit der Berliner Charité ein kostenloses und anonymes Fernbehandlungsprojekt für Menschen mit pädophiler Neigung gestartet.

Der Leiter des Instituts für Sexualwissenschaften und Sexualmedizin der Charité, Professor Klaus M. Beier, beschrieb Mittwoch die Verfahrensweise: „Menschen, die sich zu Kindern hingezogen fühlen und etwas dagegen tun möchten, können sich telefonisch anmelden und werden dann nach ersten Kontaktgesprächen im besten Fall von meinen Mitarbeiterinnen in einem geschützten Online-Raum der Charité ferntherapiert."

„Die sexualmedizinische Diagnostik erlaubt eine zuverlässige Beurteilung der sexuellen Neigung und kann das Risiko einschätzen“, so Beier. „Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass durch das Behandlungsprogramm Risikofaktoren für den sexuellen Missbrauch verringert werden können.“

Im Zuge der Therapie würden die Patienten Strategien erlernen, um sexuelle Übergriffe zu verhindern und auf kinderpornografische Darstellungen zu verzichten. Der Sexualmediziner geht von jährlich etwa 50 Kontaktaufnahmen in Sachsen-Anhalt aus. „15 bis 20 Patienten würden eine Behandlung in Anspruch nehmen. Sachsen-Anhalt unterstütze das Projekt in diesem Jahr mit 74.000 Euro, von der Charité kommen 15.000 Euro. Für 2021 haben wir 100.000 Euro vorgesehen“, so Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) Mittwoch.

579 Kinder seien im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt sexuell missbraucht worden, in 341 Fällen wurde Kinderpornografie entdeckt, in fünf Ermittlungsverfahren sei es um die Herstellung von Kinderpornografie gegangen. „Die Dunkelziffer ist allerdings sehr hoch“, sagte Grimm-Benne. Beier sprach von lediglich „zehn Prozent Hellfeldzahlen“.

Die „Rückfallquote bei nicht therapierten Pädophilen liege bei 80 Prozent“, so der Arzt, der sich seit 30 Jahren mit Sexualmedizin beschäftigt. Die Langzeitfolgen bei den Opfern seien erschreckend. Viele würden selbst als Erwachsene noch an Herz- und Stoffwechselprobleme sowie Depressionen leiden.

Das Therapie-Angebot betreffe allerdings nur die Gruppe mit tatsächlichen pädophilen Störungen. „Diejenigen, die Kinder missbrauchen, ohne pädophil zu sein erreicht man nicht.“

Für Jerome Braun, von der Deutschen Kinderschutzstiftung „Hänsel + Gretel“, die das Projekt unterstützt, ist „Kein Täter werden“ ein wichtiger Baustein in der Vorbeugung gegen Kindesmissbrauch.

Das Präventionswerk ist zu erreichen unter www.kein-taeter-werden.de oder Telefon: 030 450529350 oder sachsen-anhalt@charite.de.