1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Aus der Manege ins Zirkusdorf

Probst Aus der Manege ins Zirkusdorf

Rüdiger Probst hat ein Zirkuserlebnisdorf in Staßfurt aufgebaut. Im ehemaligen Winterquartier können Besucher Zirkusflair erleben.

Von Annette Schneider-Solis 23.11.2017, 23:01

Staßfurt (dpa) l Neun Mäuse. Sie sind die neuesten Bewohner des Zirkuserlebnisdorfs in Staßfurt. „Christina will einen Mäusezirkus aufbauen“, sagt Rüdiger Probst während er die einstige Fahrzeughalle öffnet. Wo einst die blau-weißen Zugmaschinen des Zirkus Probst standen, ist jetzt eine kleine Manege aufgebaut mit Stuhlreihen davor. An einem Verkaufswagen können Besucher Zuckerwatte, Tüten voll Popcorn und andere Leckereien kaufen.

Gut drei Jahre ist es her, da stand der 57-Jährige zum letzten Mal mit seinen Sibirischen Tigern vor 1200 begeisterten Besuchern im Chapiteau des Zirkus Probst. Probst war einst das größte Zirkusunternehmen in Ostdeutschland, und das Leben des Tierlehrers hat sich mittlerweile stark verändert.

Aufgewachsen im Zirkus seines Vaters, der Legende Rudolf Probst, lernte Rüdiger von klein auf das harte und doch schöne Zirkusleben kennen. Während andere ins Kino gingen, übte er Handstand oder Salti, versorgte Tiere. Er erlebte, wie sein Vater als privater Zirkusunternehmer mehrfach in der DDR enteignet und verhaftet wurde, meisterte mit der Familie die harte Nachwendezeit, hatte Anteil daran, dass der Privatzirkus die drei großen Staatszirkusse der DDR überlebte.

Da war er längst in die Fußstapfen seines Vaters getreten und einer der angesehensten Tierlehrer im Land, arbeitete mit Kamelen und Lamas, mit Löwen und Bären. Und mit seinen Sibirischen Tigern, die sein ganzer Stolz waren. Doch immer härter wurde es für den Zirkus, nicht nur wirtschaftlich. Das Ende für Tiere in der Manege wurde immer wieder diskutiert, Proteste gegen Tier-Nummern verliefen nicht immer friedlich.

Ende 2014 kam das Aus für den Zirkus aus Staßfurt. Dokumentationspflicht und Mindestlohn setzten den Schlusspunkt, machten den Reisebetrieb unmöglich. „Das war schon hart“, erinnert sich Rüdiger Probst. Von einem Tag auf den anderen mussten er und seine Partnerin Christina Clasen etwas Neues aufbauen. „Christina hatte damals die Idee für das Zirkuserlebnisdorf und hat unheimlich viel Energie hineingesteckt.“ Die Dessauerin war den Besuchern des Zirkus Probst vor allem durch ihre Hundedressuren bekannt, sorgte mit den lustigen Nummern für Lachstürme und leuchtende Kinderaugen.

Auf dem ehemaligen Gelände des Winterquartiers am Ufer der Bode entstand Stück für Stück das neue Projekt. „Um die 50 Tiere leben hier bei uns, würde ich sagen“, sagt Christina und schaut Rüdiger fragend an. Der nickt. „Die Mäuse noch gar nicht mitgezählt.“ Christina nennt Tiger, Lamas, Kamele, Zebras, ein Pony, Schweine, Hunde, Hühner, Wellensittiche, Katzen, Ziegen und Meerschweinchen.

Die meisten Tiere können beim Besuch im Zirkuserlebnisdorf von den Besuchern auch angefasst werden. Einige von ihnen zeigen mit Kindern zusammen Kunststücke. Bei Kindergeburtstagen gibt es im Zelt nebenan Kaffee und Kuchen, Kinder können sich schminken lassen und das Flair im Zirkusrund genießen.

Höhepunkt aber ist nach wie vor die Arbeit mit den Tigern. Dann steht Rüdiger Probst noch einmal in der einstigen Übungsmanege im Raubtierhaus und übt mit den Großkatzen. Auch eine Raubtierfütterung können die Gäste aus sicherer Entfernung beobachten.

An besonderen Tagen lädt das Zirkuserlebnisdorf zu liebevoll vorbereiteten Kinderfesten ein, derzeit ist schon alles weihnachtlich geschmückt. An anderen Tagen kann man das Dorf nach 14 Uhr besuchen oder es außer für Kindergeburtstage auch für Besuche von Schulklassen oder Kindergartengruppen buchen.

„Jeder, der bei uns war, geht begeistert wieder weg“, sagt Rüdiger Probst und beobachtet seine Tiger, die sich in der kalten Herbstsonne räkeln. Doch das große Gelände und die vielen tierischen Bewohner erfordern viel Arbeit, die Rüdiger Probst und Christina Clasen mit einer Mitstreiterin bewältigen müssen.

„Reich wird man damit nicht“, erzählt der Zirkusmann. Das Scheinwerferlicht in der großen Manege, die Beifallsstürme der Zuschauer, all das ist Vergangenheit. „Ich vermisse meinen Zirkus“, gesteht Rüdiger Probst. Doch ein Zurück wird es nicht geben, der Zirkus Rudolf Probst ist Geschichte. Davon zeugen nur noch Erinnerungsstücke, die Rüdiger in einem kleinen Museum zusammengetragen hat.