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Prozessbeginn Wurde Millionenbetrüger selbst erpresst?

Beim Fahrzeug-Handel soll ein Mann aus Magdeburg Kunden um Geld geprellt haben. Zum Prozess-Start sagt er, er sei selbst erpresst worden.

Von Matthias Fricke 12.09.2018, 01:01

Magdeburg l Beim Verlesen der Anklageschrift durch Oberstaatsanwalt Frank Baumgarten sieht der 57-jährige Angeklagte Grigor T. aus Magdeburg nur selten auf. Dabei füllen die insgesamt 45 vorgeworfenen Fälle wegen gewerbsmäßigen Betruges mehrere Seiten.

Der Geschäftsführer einer damaligen Handelsgesellschaft habe in betrügerischer Absicht in der Zeit zwischen März 2016 und Februar 2018 mehrfach Fahrzeuge gekauft und verkauft, so Baumgarten. Dabei bezahlte der Angeklagte die gekauften Fahrzeuge erst gar nicht, obwohl diese bereits bei ihm auf dem Hof in Magdeburg standen. Umgekehrt verkaufte er gebrauchte Laster, Bagger, Sattelauflieger, Baumaschinen oder teure Wagen wie einen Q 7 an Kunden in Polen, Georgien, Bulgarien, der Ukraine und Litauen, kassierte das Geld, lieferte dann aber nichts.

Die Kaufsummen zahlte er nicht, manche nur zum Teil. Auch ein Darlehen, das er sich von einem Magdeburger Geschäftsmann in Höhe von 170.000 Euro geben ließ, beglich er nie. Der geprellte Firmenchef sagt später am Rande des Prozesses der Volksstimme: „Wir hatten ihn eigentlich in unser Herz geschlossen. Das ist ein ganz netter Mensch, immer höflich und nett. Wir haben ihm vertraut.“

Nach seiner Hochzeit im Jahr 1987 war Grigor T. im Anschluss seiner Zeit bei der Sowjetarmee in Deutschland nicht wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Er behielt aber die russische Staatsbürgerschaft, die ihm vor allem bei seinen Geschäften im osteuropäischen Ausland weiterhalf. In Magdeburg baute er sich dann eine Existenz auf und geriet irgendwann im Rahmen seiner „Handelsgeschäfte“ immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Dabei lebte er offensichtlich nicht auf großem Fuß: Er wohnte nach seinen Angaben in einer kleineren Mietwohnung gemeinsam mit seiner Frau. Seine Tochter habe sogar staatliche Hilfen beantragt, wie er später dem Gericht sagt.

Im Jahr 2009 wurde er schon­ einmal wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. 2013 wurde er aus der Haft entlassen.

Nach dem Verlesen der Anklageschrift führten das Gericht, der Oberstaatsanwalt und die beiden Verteidiger ein sogenanntes Rechtsgespräch. Dabei sagte die Kammer einen Strafrahmen zu, wenn der Angeklagte nachvollziehbar und umfassend ein Geständnis ablegt. Alle Prozessbeteiligten willigten ein, so dass bei diesem „Deal“ eine Gesamtfreiheitsstrafe herauskam, die viereinhalb Jahre nicht unter- und fünf Jahre nicht überschreiten soll.

Grigor T. räumt daraufhin alle 45 vorgeworfenen Straftaten ein. In einigen wenigen Fällen habe er aber bereits zum Teil seine Schulden zurückgezahlt, sagt er.

Die Geschäfte liefen nach seiner Aussage zwischen den Jahren 2013 und 2016 zunächst gut, bis er sich „verkalkuliert“ habe. Er bestellte in Armenien bei „einem Freund“ eine Lkw-Ladung Cognac und sollte 81.000 Euro Zoll dafür zahlen, obwohl dies so nicht vereinbart war. Zudem sei er mit Schutzgeldforderungen in Höhe von einer halben Millionen Euro konfrontiert gewesen.

„Ich hatte Angst um meine Familie, weil ich erpresst wurde. Da habe ich die Einnahmen dafür genommen“, sagt der Angeklagte. Er habe deshalb versucht, mit dem Geld aus den neuen Betrugshandlungen die aus den alten zu stopfen. Doch irgendwann funktionierte alles nicht mehr. Einen großen Teil des Geldes habe er auch in die Werkstatt investiert.

Der Prozess in Magdeburg wird am Mittwoch, 12. September, fortgesetzt.