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Theaterpremiere Fernkurs zum Glück

Die Revue „Wie werde ich reich und glücklich?“ des Nordharzer Städtebundtheaters in Halberstadt vermittelt viel vom Gefühl der 1920er Jahre.

Von Uwe Kraus 05.02.2023, 18:51
Das Ensemble der Kabarett-Revue „Wie werde ich reich und glücklich“ auf der Kammerbühne in Halberstadt.
Das Ensemble der Kabarett-Revue „Wie werde ich reich und glücklich“ auf der Kammerbühne in Halberstadt. Foto: Ray Behringer

Halberstadt - 254 Ratgeber zum Thema wirft das Bücherverzeichnis aus: Von „Einfachste Techniken reich zu werden“ über „Wohlstand beginnt im Kopf“ und „Mindset für finanzielle Freiheit und Glück im Jetzt“ bis „Weniger macht reich: Entdecken Sie die einfachste Art, glücklich zu leben“. Da ist das Werk des Lebensratgeberautors Dr. Pausback noch nicht einmal dabei, das am 4. Februar seine vom Publikum gefeierte Premiere erlebt.

Marco Misgaiski, der Chefdramaturg des Nordharzer Städtebundtheaters, bringt Felix Joachimsons und Mischa Spolianskys Kabarettrevue „Wie werde ich reich und glücklich?“, die den Charme der 1920er atmet, auf die Halberstädter Kammerbühne. Doch zu Beginn steht er erstmal selbst vorm Vorhang: Eine Erkältung sorge dafür, dass Norbert Zilz, der den Geheimrat Regen singt, stimmlich angeschlagen ist. Erster Beifall brandet für den beliebten Sänger auf, der dann professionell seinen Part meistert.

Misgaiski scheint der erste Stein vom Herzen zu fallen. Denn eine wichtige Sängerin musste ebenso ersetzt werden, die musikalische Leitung der Inszenierung übernahm krankheitsbedingt kurzfristig Ferdinand von Seebach. Er sitzt am Klavier, so wie sonst in der Band der Sängerin und Musikerin Antje Rietz, die wiederum in Halberstadt die (Haupt-)Rolle in „Kiss me, Kate“ sang.

Darstellerin schlüpft in diverse Rollen

Im kommenden Sommer sorgt Ferdinand von Seebach zudem für Live-Musik beim „Graf von Monte Christo“-Open-air in Bad Gandersheim.

In Halberstadt begleitet keine Band die Couplets, Misgaiskis Inszenierung baut auf die Fassung der Uraufführung am 15. Juni 1930 in der Komödie am Kurfürstendamm, von der ja nur ein Klavierauszug erhalten blieb.

Spoliansky war ein musikalisches Wunderkind russisch-jüdischer Emigranten und verstand sich zeitlebens als Glückspilz, denn er konnte 1933 Berlin noch gen London verlassen.

Mischa Spoliansky begriff seine 1930 entstandene Kabarett-Revue als einen „Kursus in 10 Abteilungen“, so dass Bettina Pierags als das „Mädchen, das für die Reihenfolge zuständig ist“, nicht nur in diversen Rollen zu erleben ist, sondern sehr agil und mit tänzerischem Können (Choreografie: Cristian Colatriano) das Nummern-Girl gibt.

Hochachtung, wie die Sängerin nicht nur zu großer Arienkunst aufläuft, sondern darstellerisch von einer Rolle in die nächste hüpft und immer wieder neue Charaktere zeichnet. Für diesen mit gewohnter Leichtigkeit gemeisterten Kraftakt hat sie die Maskenabteilung (Leitung: Fred Lipke) und das Kostüm in Mann und Frau halbiert.

„Man muss etwas haben, woran man sich halten kann“, erklärt der Ratgeber, der als Werbebrief in die Briefkästen vom beschäftigungslosen, recht kodderschnäuzigen Mietschuldner Kibis und der reichen Autohausbesitzer-Tochter Marie flattert. Einem Mantra gleich wird der verheißungsvolle Vierzeiler buchstabiert: „Sei zu jedem liebenswürdig,/ Keinen stoß zurück,/ Dann verhilft dir gern jeder/ Zu Reichtum und zu Glück“.

Gelungenes Schauspiel auf Augenhöhe

Daraufhin schießt der junge Mann seine treusorgende Freundin Lis ohne allzu große Regungen in den Wind. Er folgt dem einen Kurs, um reich zu werden, die Wohlhabende versucht es auf dem Parallelweg, der Glück verheißt. Kibis heiratet sie, bekommt seinen Wohlstandsanteil, bloß sie findet in der Ehe kein Glück. Ihren höchsten Ausbruch von Zufriedenheit und Freude feiert Marie am Strand von Westerland, als der Aufsteiger mit ihr die Scheidung arrangiert.

Lena Poppe a. G. gelingt es in diesem Moment auf Augenhöhe mit Charmeur Michael Rapke zu agieren. Da lebt sie nicht mehr ihr finanziell gut gepolstertes Unglücklichsein aus, sondern strotzt nur so vor Spielfreude. Schließlich macht ihr der gut bemittelte Geschäftspartner ihres Vaters nicht nur den Hof, sondern einen Heiratsantrag.

Auf diese Rolle, Marke verpeilter Schwiegersohn, scheint Tobias Amadeus Schöner abonniert zu sein, der ziemlich geschniegelt wieder mit seinem Blumensträußchen unterwegs ist und von Marie dann nach seinem großen Auftritt vor dem Radio-Mikro mit „Heute Nacht oder nie“ genommen wird.

Kibis trifft seine Lis wieder, was letztlich in einer Doppelhochzeit gipfelt. Die stimmlich prima präparierte Amrei Wasikowski, die nach der Flucht von Kibis förmlich aufgeblüht ist, nimmt dem das Versprechen ab, dass es schöner als früher wird, auch wenn ein Leben nach Gebrauchsanweisung für alle Lebenslagen vielleicht doch nicht immer nur erstrebenswert ist, wie Regisseur Marco Misgaiski meint.

Ausstatterin Gretl Kautzsch schuf ihm mit Liebe zum Detail für seine frech-flotte Revue zeitgerechte Kostüme und eine Bühne mit nostalgischem Rahmen für Autohaus-Ausstellung, Standesamt und Meeresstrand.

Kein Glücksrad im Halber-städter Foyer, und Glückskekse hat auch niemand gebacken. Trotzdem fühlt sich das Publikum glücklich und bereichert.