Max Raabe in Magdeburg Wo der Alltag vor der Tür bleibt
Zwanziger-Jahre-Musiker Max Raabe besingt die großen Fragen des Lebens und füllt mit seiner besonderen Auftrittskultur die Magdeburger Getec-Arena.

Magdeburg. - Elegant steht er da, der Max Raabe, so, wie man ihn kennt. Schwarze Fliege, Jackett, weißes Einstecktuch. Die Haare akkurat nach hinten gekämmt. Seitenscheitel, etwas Pomade. „Marie, Marie, ich bin verliebt in sie“, säuselt der Bariton in sein Nostalgiemikrofon. Die Hände liegen an der Hosennaht. Raabe steht kerzengerade. Er ist ein Minimalist in Gestik und Mimik.
Wenn der Sänger auftritt, wie am Samstagabend in der vollbesetzten Magdeburger Getec-Arena, dann wartet auf all die, die angereist sind, ein Konzert der Entschleunigung. Bei Max Raabe ist nichts schnell und rasant wie draußen vor der Tür. Der Alltag, die Weltlage, all die Beunruhigungen unserer Zeit werden am Halleneingang für zweieinhalb Stunden einfach abgestellt. Mit Raabe geht es hundert Jahre zurück, in die Goldenen Zwanziger, eine Blütezeit für Kunst und Kultur, auch wenn für viele Menschen die Zwanziger alles andere als golden waren. Er stellt seine Klassiker der 1920er und 30er Jahre vor.
Schön altmodisch
Damals wie heute dreht sich alles um die großen Fragen des Lebens, die Raabe besingt. Kennenlernen, erst sich mögen, dann sich lieben, manches Mal auch wieder voneinander loslassen können. Mal kündigt er an, welcher alten Texte und Töne er sich bedient, mal schaut er zurück auf „das verklungene Stück“. „Unter den Zypressen hab ich mich vergessen“. Die Trompete im Vordergrund. Raabe stellt schön altmodisch vor: „Herr Martin Sander.“ Jeder auf der Bühne bekommt sein Solo. Auch das gehört zur Raab’schen Etikette.
Überhaupt nimmt sich der Sänger und Entertainer oft zurück, geht zwei Schritte an den Flügel und damit in den Schatten, der Spot ist dann auf sein zwölfköpfiges Palast Orchester gerichtet. Die elf Herren und die Geigerin als einzige Dame im Ensemble spielen nicht nur vergnüglich auf, sondern auch perfekt aufeinander abgestimmt. Viele begleiten Raabe seit langer Zeit. Der hatte das Orchester 1986 mit einigen Kommilitonen gegründet, um sein Gesangsstudium zu finanzieren. „Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich“ war der Durchbruch. Das war 1992. Seitdem füllen sie auf ihren Tourneen die Hallen.
„Wer hat hier schlechte Laune, wer hat hier Frust“, singt der 61-Jährige. Keiner, zeigt der Blick durch die Reihen. Raabe zaubert ein Lächeln in die Gesichter. Er setzt auf Beschwingtheit und Warmherzigkeit.
Der Maulwurf spart Energie
Das liegt nicht nur an seiner Musik, sondern auch den Texten mit den wunderbaren Sprachspielen. Und es liegt an seiner Moderation. Auch die ist minimalistisch, kurz und knackig sind seine Sätze, seine Pointen sitzen. Wenn er über Maulwürfe und Spitzmäuse plaudert, die zum Energiesparen ihr Gehirn schrumpfen lassen können. Gibt es Parallelen zu uns und unseren Mitmenschen, stellt er als Frage in den Raum wie auch seine Überlegung, wie schwer es doch heutzutage ist, die Angebetete mit einem Ständchen zu überraschen. Bei all den isolierten Doppelglasfenstern. Sein Wortwitz kommt gut an.
Er tritt wieder aus dem Halbschatten ins Rampenlicht. „Schöne Frau“, „Es wird wieder gut“, „Für Frauen ist das kein Problem“, der Babylon-Berlin-Song „Ein Tag wie Gold“. Eine gehörige Portion Melancholie wird beigemischt bei „Dream, a Little Dream“ und „La mer“, dem Klassiker von Charles Trenet, den Max Raabe als „La Lied“ ankündigt. Unter dem Hallendach ist es zwischenzeitlich mucksmäuschenstill. Das Publikum genießt, bis es – fast schon am Ende – beschwingt mitklatscht und mitsingt beim ja schon legendären „Kleinen grünen Kaktus“.
Zum Schluss, das ist die zweite eingeforderte Zugabe, fühlt sich noch einmal jeder von Musik und Text mitgenommen: „Heut mach ich gar nichts ... ich dreh mich noch mal um ... die Welt bleibt draußen und muss warten“, singt Max Raabe, als ob er weiß, dass vor der Tür Nebel wabert und aufs Gemüt drücken könnte.
Auf dem Heimweg summt man vor sich hin. Nebel und Alltag sind erst mal vergessen.