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Kommunale Wohnungen Hoher Leerstand und kein Geld: Vermieter in Sachsen-Anhalt fahren auf Verschleiß

Die kommunalen Wohnungsunternehmen im ländlichen Sachsen-Anhalt kämpfen mit Leerstand und haben kein Geld für Investitionen. Die Aufträge im Wohnungsbau sind um fast 50 Prozent eingebrochen.

Von Robert Gruhne 14.07.2023, 16:41
Weit über die Hälfte der kommunalen Wohnungen in Genthin sind Plattenbauten.
Weit über die Hälfte der kommunalen Wohnungen in Genthin sind Plattenbauten. Foto: Simone Pötschke

Magdeburg/Genthin - Genthin schrumpft und schrumpft. Im Jahr 2000 lebten hier noch fast 19000 Menschen. Heute sind es 5000 weniger. „Wenn wir die Flüchtlinge aus der Ukraine nicht hätten, hätten wir 20 Prozent Leerstand“, sagt Michael Weber, der Geschäftsführer der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft.

Jede fünfte Wohnung leer – im ländlichen Sachsen-Anhalt ist das keine Seltenheit. Der Leerstand liegt im Schnitt bei fast 15 Prozent. Für die Vermieter bedeutet das, die Mieteinnahmen fehlen, zumal sie auch die leeren Wohnungen unterhalten müssen.

„Die Lage ist bedrohlich“, hat es der Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt, Jens Zillmann, zusammengefasst und einen Brandbrief an die Politik geschrieben. Darin prangert er die hohen Baukosten und die aktuelle Baupolitik der Bundesregierung an – gerade was die energetische Sanierung angeht.

Wohnungen gehören zur Daseinsvorsorge

Da kann Weber nur zustimmen: „Das Heizungsspektakel trifft uns. Wir sind ratlos, wie wir unsere alten Gasthermen ersetzen sollen.“ Weit über die Hälfte der 1000 kommunalen Wohnungen in Genthin sind Plattenbauten. Für viele davon seien Wärmepumpen oder Pelletheizungen nicht geeignet und Fernwärme nicht geplant.

Überhaupt Plattenbau: „Perspektivisch ist diese Wohnform nicht zukunftsfähig“, meint Weber. Eine Sanierung ist ihm zufolge zu teuer. Die Menschen wollen heute lieber in anderen Häusern leben. Der letzte Neubau, den der kommunale Vermieter in Genthin 2015 errichtet hat, ist voll. Hier gibt es sogar Bewerberlisten.

Das bedeutet: Weber würde gern abreißen und neu bauen. Aber dann müsste er 22 Euro für den Quadratmeter verlangen. Aktuell bekommt man Wohnungen in Genthin für sechs Euro. Seine Neubaupläne hat Weber eingestampft. Die Preise sind zu hoch und das Eigenkapital fehlt.

Anlass des Brandbriefes der Wohnungswirtschaft war die Insolvenz der Umland Wohnungsbau in Egeln. In den vergangenen Jahren wurden bereits Wohnungsbaugesellschaften in Burg und Thale an Investoren verkauft. „Die Politik schaut gleichgültig zu, wie wir Instrumente der Daseinsvorsorge gegen die Wand fahren“, meint Zillmann.

In Magdeburg und Halle ist die Lage nicht so dramatisch wie auf dem Land. „Beim Neubau ist bei uns aber auch nicht mehr viel zu machen“, sagt Peter Lackner, Geschäftsführer der Wobau Magdeburg.

Bauwirtschaft: Aufträge im Wohnungsbau in Sachsen-Anhalt um 48 Prozent eingebrochen

Das spürt mittlerweile auch die Bauwirtschaft. Dort sind die Aufträge im Wohnungsbau im Vergleich zum Vorjahr um 48 Prozent zurückgegangen, teilt der Bauindustrieverband Ost für Sachsen-Anhalt mit. Die derzeitigen „unattraktiven Rahmenbedingungen schrecken vielerorts Investoren und Auftraggeber ab“, teilt der Hauptgeschäftsführer des Verbands Robert Momberg mit.

Viel Kritik richtet sich an die Bundesregierung. „Das neue Heizungsgesetz schnürt den Wohnungsgenossensschaften die letzte Luft ab“, meint Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag. Die Landesregierung müsse einspringen und Fördermittel für Investitionen bereitstellen. Von Angern fordert einen Schutzschirm, um Insolvenzen abzuwenden.

„Es kann nicht sein, dass noch mehr Wohnungsbaugesellschaften pleite gehen“, sagt Falko Grube, baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er fordert angesichts der demografischen Entwicklung im Osten umfangreiche Förderprogramme für Sanierungen, aber auch für Abrisse.

„Der Alarmruf der Wohnungswirtschaft muss von der Bundesregierung ernst genommen werden, bevor es zu spät ist“, meint Detlef Gürth von der CDU im Landtag. Auch die „notleidenden Kommunen als Eigentümer“ würden durch die Ampel-Politik in eine bedrohliche Schieflage geraten.