Elterngeld Warum nicht einmal jeder zweite Vater in Sachsen-Anhalt Elternzeit nimmt
Die Zahl der Väter in Sachsen-Anhalt, die Elternzeit nehmen, ist stark angestiegen. Der Abstand zu den Müttern bleibt allerdings weiter hoch. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Magdeburg - Etwa 9.000 Väter in Sachsen-Anhalt nehmen jährlich Elternzeit. Jan Wietelmann aus Magdeburg war einer von ihnen. Der 33-Jährige hat zwei Kinder und war jeweils drei Monate zu Hause, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. „Bei meinen Arbeitgebern war das kein Problem, das war völlig normal“, sagt er.
Mit der Länge seiner Elternzeit liegt der Vater etwa im Landesschnitt. Männer beziehen hier durchschnittlich 3,5 Monate Elterngeld. Bei den Müttern sind es 13,8 Monate. Auch Wietelmanns Frau war je ein Jahr zu Hause.
Väter sind nicht nur kürzer in Elternzeit, sondern auch seltener. In Sachsen-Anhalt bekommen mehr als 90 Prozent der Mütter Elterngeld, aber nur etwa 40 Prozent der Väter. Allerdings machten die Männer in den vergangenen Jahren einen großen Sprung nach vorn. 2008 bekamen noch knapp 18 Prozent der Väter Elterngeld.
Elternzeit: Traditionelle Rollenbilder von Vätern und Müttern
„In der Forschung gibt es dafür eine Handvoll Gründe“, meint die Arbeitsmarkt-Ökonomin Juliane Hennecke von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zum Elternzeit-Unterschied bei den Geschlechtern. Zum einen sei das biologisch bedingt, etwa durch das Stillen oder die hormonell stärkere Bindung der Mutter zum Kind. Zum anderen gebe es auch ökonomische Gründe und soziale Normen, die Väter von der Elternzeit abhalten.
Der Verdienst etwa spielt eine wichtige Rolle. Das Elterngeld beträgt in der Regel 65 Prozent des Einkommens im Monat, maximal 1.800 Euro. „Väter haben häufig Berufe, in denen sie mehr verdienen“, sagt Hennecke. Zudem hätten Männer statistisch öfter Jobs, die keine Unterbrechungen zulassen, zum Beispiel weil sie mit Personalverantwortung verbunden sind oder sehr spezialisiert.
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Auch die Rollenaufteilung ist laut Hennecke oft traditionell: „Die Männer gehen arbeiten, weil es der vorgeschriebenen Identität entspricht. Ein Vater, der zu Hause bleibt, durchbricht die soziale Norm.“ Hier sieht die Forscherin in den vergangenen Jahren einen Wandel. Der steigende Väteranteil im Elterngeld bestätigt das.
Dem Betrieb verursacht die Elternzeit von Mitarbeitern vor allem Kosten, betont Hennecke. Die Produktivität geht zurück und Ersatz muss gefunden und eingearbeitet werden. Marco Langhof, Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, hält die Elternzeit grundsätzlich für „eine gute Sache“, aber sieht die Herausforderung, die Ausfälle „betriebsorganisatorisch abzufangen“. Das müsse im Dialog geklärt werden.
Elternzeit ist für Mütter weiter Karrierebremse
Hinter einer aktuellen Aktion des Konsumgüterherstellers Henkel vermutet Langhof „mehr Kalkül als Menschenfreundlichkeit“. Henkel hatte angekündigt, allen neuen Eltern weltweit im Unternehmen acht Wochen Elternzeit voll zu vergüten, indem das gesetzliche Elterngeld aufgestockt wird. So gebe sich der Konzern ein familienfreundliches Image, meint Langhof. Kleinere Unternehmen müssten stärker überlegen, was sie sich leisten könnten.
Nach der Elternzeit setzen sich die Unterschiede bei Vätern und Müttern fort. Für viele Mütter wirkt die berufliche Auszeit wie eine Karrierebremse. Hennecke spricht von einer „Strafe der Elternschaft“. Studien zeigen: Bis zum ersten Kind sind die Erwerbsverläufe von Männern und Frauen gleich. „Danach sieht man bei Müttern einen starken Abfall, bei Vätern jedoch nicht“, sagt Hennecke. Auch bei Neueinstellungen kommen Diskriminierungen von jungen Frauen vor, da die Wahrscheinlichkeit, aufgrund von Kindern länger auszufallen, höher ist als bei Männern.