1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Stahlknecht will Top-Platz räumen

Sachsen-Anhalt Stahlknecht will Top-Platz räumen

Ex-CDU-Landeschef Holger Stahlknecht sorgt für Unruhe. Er diktiert seiner Partei Bedingungen für einen möglichen Verzicht.

Von Michael Bock 19.01.2021, 00:01

Magdeburg l Holger Stahlknecht bestätigte gestern der Volksstimme, er sei bereit, auf Listenplatz zwei – also direkt hinter dem designierten Spitzenkandidaten Reiner Haseloff – zu verzichten. Darüber habe er Ministerpräsident Haseloff und Generalsekretär Sven Schulze informiert.

Dieses Angebot verbindet Stahlknecht allerdings mit einer konkreten Forderung. Sollte er freiwillig den Top-Platz räumen, müsse dieser von einer „Frau mit Zukunft“ besetzt werden. Namen nannte Stahlknecht nicht. Es gebe aber „sehr kluge Frauen“ im Bördekreis – und auch außerhalb. CDU-intern kommt das nicht gut an. Offiziell will sich momentan niemand äußern. Hinter vorgehaltener Hand heißt es aber: „Wir lassen uns nicht erpressen.“ Stahlknecht wolle Stress machen, Sand ins Getriebe streuen.

Stahlknechts Überraschungscoup steht indes im Widerspruch zu parteiinternen Regularien. In der Union gilt das sogenannte Regionalprinzip. Demnach beschließen die Kreisverbände zunächst eine eigene Liste mit der entsprechenden Rangfolge der Kandidaten. Jeder Region werden dann auf der Landesliste feste Plätze für die jeweiligen Bewerber zugewiesen.

Nach den CDU-Regularien müsste bei einem Verzicht Stahlknechts eigentlich der Zweitplatzierte in der Börde, der Landtagsabgeordnete Guido Heuer, auf Platz zwei vorrücken. Derzeit steht er auf Rang 14. Heuer wollte sich gestern nicht äußern.

Stahlknecht selbst hatte sich in einer Landesvorstandssitzung im vorigen September für die Beibehaltung des „bewährten Regionalprinzips“ ausgesprochen. Drei Monate später, Anfang Dezember, beschloss der Landesvorstand den Vorschlag für die Kandidatenliste - und zwar einstimmig. Seinerzeit war Stahlknecht noch Parteichef.

Jetzt die Kehrtwende. Plötzlich will Stahlknecht das Regionalprinzip zumindest partiell durchbrechen und der CDU für einen möglichen Verzicht auf Platz zwei die Bedingungen diktieren. „Ich schade doch niemandem und nütze der Partei“, sagte er. „Ich will die CDU modernisieren und einer Frau eine Chance geben. Dafür muss ich mich nicht entschuldigen.“

Tatsächlich finden sich Frauen in der Vorschlagsliste des Landesvorstands momentan nur auf hinteren Plätzen wieder. Mit Anja Schneider (Dessau-Roßlau) ist die erste Frau auf Rang 15 platziert. Bildungsstaatssekretärin Eva Feußner steht auf Platz 25, Justizministerin Anne-Marie Keding kommt erst auf Rang 39. Zu hören ist, dass die Frauen Union die Vorschlagsliste sogar anficht. „Da ist Druck auf dem Kessel“, heißt es.

Verzichtet Stahlknecht auf den Spitzenplatz, muss er den Wahlkreis erneut gewinnen, um in den Landtag zu kommen. „Ich gehe in das volle Risiko, ohne Hosenträger und Gürtel“, sagte Stahlknecht. Er fühlt sich vor Ort getragen durch „sehr viel Zuspruch“, den er nach seiner Entlassung als Innenminister erfahren habe. In der Börde ist Stahlknecht nach wie vor ein Zugpferd.

Haseloff hatte Minister Stahlknecht Anfang Dezember gefeuert. Letzterer trat wenige Tage später auch als Landeschef zurück. Wie geht es weiter? Stahlknecht macht deutlich, dass er einen für ihn akzeptablen Frauen-Vorschlag erwartet. Und wenn nicht? „Dann bleibe ich auf Platz zwei.“ CDU-intern wird diskutiert, bei einem Verzicht Stahlknechts Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch auf Platz zwei zu setzen. Eigentlich wollte die aus der Börde stammende Politikerin nicht mehr antreten. Doch zu hören ist, dass Stahlknecht nicht für Brakebusch seinen Platz räumen würde. Heute Abend befasst sich der Landesvorstand mit dem Thema.

Die Frage, wer auf welchem Listenplatz steht, kann darüber entscheiden, wer in den Landtag kommt. Wer als Direktkandidat die meisten Stimmen gewinnt, zieht auf jeden Fall in den Landtag ein. Wer gegen einen anderen Kandidaten verliert, kann womöglich über die Parteiliste noch ein Landtagsmandat erhalten. Je weiter oben ein Kandidat auf der Liste ist, desto besser sind seine Chancen, ins Parlament zu kommen. Meinung