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Ukraine SPD-Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt hadert mit der Bundespartei: „Krieg ist kein Computerspiel“

Der SPD-Parlamentarier Rüdiger Erben (56) gehört zu den profiliertesten Landespolitikern in der Partei. Er war unter anderem auch Landrat und Innenstaatssekretär. Ein Gespräch mit ihm über Krieg und Frieden.

Von Michael Bock 13.08.2024, 16:34
Der SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben aus Sachsen-Anhalt war einst Unteroffizier in der NVA.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben aus Sachsen-Anhalt war einst Unteroffizier in der NVA. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbil

Magdeburg - Herr Erben, Sie schieben in der SPD eine Debatte zum Ukraine-Krieg an. Warum?

Rüdiger Erben: Ich hadere aktuell mit der SPD in der Bundesregierung. Wir Sozialdemokraten dürfen nicht nur für Waffen an die Ukraine werben, sondern vor allem auch für Diplomatie. Das kommt mir in der aktuellen Debatte zu kurz. Krieg ist doch kein Computerspiel. Er ist analog, verdammt brutal und blutig. Jeden Tag verrecken Menschen an der Front, gibt es über tausend Tote und Verwundete. Dieser Aspekt ist in der Debatte in Deutschland total unterbelichtet. Das beklemmende Gefühl, den Lukendeckel eines Panzers über sich zu schließen und zu wissen, dass man in einem stählernen Sarg sitzt, kennen vielleicht manche noch aus ihrer Jugend. Wir haben das zum Glück nur im Frieden erlebt. Ich bin wahrlich kein Pazifist. Doch die Kriegsrhetorik von Teilen der Politik und zahlreicher Medien bringt mich täglich immer mehr auf die Palme. In der SPD gibt es eine große Sehnsucht nach Frieden. Und dass wir die Partei sind, die das voranbringt.

Was muss passieren?

Wir reden viel über Waffensysteme. Über mögliche Auswege aus dieser Katastrophe wird aber viel zu wenig gesprochen. Wie viele hunderttausende Tote und Verwundete soll es denn noch geben? Diese Frage muss man doch stellen dürfen, ohne dass man sich vorwerfen lassen muss, ein Putin-Knecht zu sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Krieg in der Ukraine nicht allein auf dem Schlachtfeld entschieden werden kann.

Sondern wie?

Ich bin kein Hobbystratege, habe auch nicht die schnelle Lösung. Klar ist aber: Deutschland kann diesen Krieg nicht beenden. Das kann Putin sofort tun, indem er seine Truppen aus der Ukraine abzieht. Ob die Ukraine verhandelt, muss in Kiew entschieden werden. Auf jeden Fall muss deutlich stärker auf Diplomatie und Verhandlungen gesetzt werden. Von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt stammt das Zitat: „Besser 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen.“ Dieser Satz ist aktueller denn je. Ich bin froh, dass mit Rolf Mützenich ein Mann an der Spitze der SPD im Bundestag steht, der nicht nur auf Waffen, sondern auf Diplomatie setzt.,

Für mehr Verhandlungen treten auch AfD und das BSW ein.

Der große Unterschied ist aber, dass die SPD die Ukraine weiter mit Geld und Waffen unterstützen wird, solange diese ihren Abwehrkampf gegen die russischen Aggressoren führt. Ich bin für eine Nato, die abschreckt und jeden Quadratmeter des Bündnisses verteidigt. Ich bin für eine starke, bestens ausgerüstete Bundeswehr. Wichtig ist mir aber nach wie vor: Deutschland und die Nato dürfen nicht Kriegspartei in diesem Krieg werden. Das sehen mehrheitlich auch die Menschen in unserem Land so. Sie wollen nicht, dass rote Linien immer weiter verschoben werden. Sie wollen kein Drehen an der Eskalationsschraube.