Supermärkte Reform geplant: Sonntagsruhe für automatisierte Supermärkte soll in Sachsen-Anhalt fallen
Die Regierungskoalition möchte, dass voll automatisierte Supermärkte auch an Sonntagen öffnen dürfen. Die Gewerkschaft Verdi kündigt Widerstand an.

Magdeburg. - Es klingt zunächst kurios, ist für viele betroffene Unternehmer nach eigenen Angaben aber ein ernstes Problem: Automatisierte Supermärkte, die in der jüngeren Vergangenheit vor allem in dünn besiedelten Regionen eröffnet wurden und weitgehend ohne Personal auskommen, unterliegen bisher wie ihre herkömmlichen Mitbewerber dem Sonntagsöffnungsverbot.
Nicht, um die ohnehin nur spärlich vorhandenen Mitarbeiter zu schützen, sondern die Kunden. Denn Sonn- und Feiertage dienten als Tage der Arbeitsruhe der seelischen Erhebung der Bevölkerung, wie das Landesverwaltungsamt die Regelung in einem Schreiben begründet.
Ohne die Sonntage würden sie jedoch einen Großteil der kalkulierten Einnahmen verlieren, befürchten die Unternehmen.
Öffnungszeiten: Gesetz soll verkaufsoffene Sonntage ermöglichen
Doch nun kommt Bewegung in die Sache. Die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und FDP arbeiten gemeinsam an einer Gesetzesinitiative, um die Sonntagsöffnungszeiten zu ermöglichen.
„Vollautomatisierte Geschäfte, die ohne Personal betrieben werden, sind gerade für den ländlichen Raum wie Lebensadern“, begründet Andreas Silbersack, Vorsitzender der FDP-Fraktion, die Initiative. Das veraltete Ladenöffnungszeitengesetz knebele diese Versorgungslinien sonntags unnötig.
Zuletzt diskutierte der Wirtschaftsausschuss des Landtages mit Branchenvertretern und einem Gewerkschafter über das Thema, nachdem die Fraktion der Grünen das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Eine Modifizierung könnte sich jedoch als schwieriger erweisen, als man im ersten Moment vermutet.
Sonntagsruhe im Supermarkt?
Darauf weist zumindest Torsten Furgol, bei der Gewerkschaft Verdi Fachbereichsleiter Handel, hin: „Die jeweiligen Ladenöffnungsgesetze sind eingebunden in die Sonn- und Feiertagsruhe des Grundgesetzes. Das dürfte eine erhebliche Schranke sein.“
Das schlage sich in der Rechtsprechung der vergangenen Jahre nieder. Die Gerichte hätten auch in der jüngeren Vergangenheit beim Thema Sonntagsöffnungszeiten hohe Hürden gesetzt.
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Skeptisch ist der Gewerkschafter darüber hinaus, ob die von den Betreibern angeführte wirtschaftliche Notwendigkeit für die Änderung überhaupt besteht. „Unsere Erfahrung seit der Einführung des langen Donnerstags 1989 über 1996 und 2006 sind, dass längere Öffnungszeiten keinen Umsatzzuwachs in Summe generieren“, sagt Furgol.
Ob am Ende der Gewinn steigt, sei ebenso fraglich, schließlich stiegen automatisch die Fixkosten. Er habe insgesamt den Eindruck, das „Hofläden und die Versorgung des ländlichen Raumes vorgeschoben werden, um die Sonntagsruhe aufzuweichen“.
Wirtschaft: Sonderregelung statt Gesetz
Olaf Meister, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen, teilt diese Bedenken nicht. Er weist auf das ebenfalls im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hin, das aus seiner Sicht „im Falle der Dorfläden zum Tragen komme und mit der Sonntagsruhe in Einklang gebracht werden kann“.
Das Wirtschaftsministerium ist sich dennoch der verfassungsrechtlichen Hürden bewusst. Deshalb ist man im Haus bemüht, diese zunächst mit Sonderregelungen zu umgehen, bevor eine Anpassung des Gesetzes gültig wird.
Laut einer Ministeriumssprecherin soll es per Erlass eine Ausnahme für Geschäfte mit begrenzter Kundenzahl, etwa bei genossenschaftlichen Modellen geben. Wer Anteile erworben hat, darf also auch an Sonntagen einkaufen.
„Zusätzlich sollen Hofläden an Sonn- und Feiertagen länger öffnen und neben selbst erzeugten Produkten auch regionale Waren anbieten dürfen“, so die Sprecherin.
Sieben Tage die Woche: Öffnungszeiten angepasst
Unmittelbar profitieren würden davon zwei Anbieter: Der Bremer Franchise-Anbieter Tante Enso und der Heimatmarkt Wiepke, den Landwirtin Linda Becker im gleichnamigen Gardeleger Ortsteil führt.
Mitarbeiter beschäftigen beide nur sporadisch. In die Geschäfte gelangt man per Kundenkarte oder per Handy, die Waren bezahlt man digital. Tante Enso setzt aufs Genossenschaftsprinzip. 300 Teilhaber müssen es mindestens sein, damit ein Laden eröffnet wird. Drei sind es im Land bereits, zehn weitere könnten es noch werden, sagt Tante Enso-Chef Norbert Hegmann.
„Eine Voraussetzung für die weitere Expansion ist aber die Möglichkeit, dass die Geschäfte sieben Tage die Woche geöffnet sind“, sagt Hegmann. Von daher sei der privilegierte Zugang der Genossenschaftler ein Anfang. Zumal es mit einem relativ geringen technischen Aufwand verbunden sei.
„Es ist gut, dass Sachsen-Anhalt vorangeht und dabei eine Vorreiterrolle einnimmt“, so der Firmenchef. Keinen Hehl macht er allerdings daraus, dass ihm eine umfassende Liberalisierung natürlich lieber wäre.
Produkte aus der Region
Das sieht Linda Becker vom Wiepker Heimatmarkt ähnlich. Der bietet ausschließlich regional erzeugte Produkte an. „Ich bin froh, dass auf eine Gesetzesänderung hingewirkt wird“, sagt die Unternehmerin.
Die derzeitige Regelung sei aus der Zeit gefallen. Idealerweise würde man dann in ihrem Geschäft an allen sieben Wochentagen rund um die Uhr einkaufen können.