1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Soforthilfe vom Land für kranke Wälder

Waldsterben Soforthilfe vom Land für kranke Wälder

Vor dem Hintergrund der immensen Waldschäden in Sachsen-Anhalt hat Ministerpräsident Reiner Haseloff die Sicherung zur Chefsache erklärt.

Von Alexander Walter 27.07.2019, 01:01

Magdeburg l Die Sicherung der Wälder „ist existenziell für Sachsen-Anhalt“, sagte Haseloff am Freitag. Auf der Agenda des Kabinetts sei sie das Thema mit der höchsten Priorität. „Alles, was sich drehen lässt, drehen wir“, betonte der Ministerpräsident.

Waldbauern könnten ab Montag dank eines beschleunigten Verfahrens Anträge für ein neues Förderprogramm stellen. Ein weiteres Programm soll in den nächsten Tagen folgen. Mit Bundes- und Landesgeld im Gesamtumfang von rund 500.000 Euro jährlich werde das Land so die Beräumung der Wälder von Totholz, die Einrichtung von Lagerstätten sowie den Holz-Abtransport unterstützen. Die Maßnahmen sollen vor allem der weiteren Ausbreitung des Borkenkäfers vorbeugen.

Haseloff verwies zudem auf Pläne von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU): Nach den verheerenden Brand- und Dürreschäden der vergangenen Monate hatte sie angekündigt, eine halbe Milliarde Euro in ein bundesweites Aufforstungsprogramm zu investieren. Die Ministerin will im September nach Magdeburg kommen – und dann voraussichtlich konkrete Zahlen nennen, sagte Haseloff. Schon jetzt habe der Bund die Vergabe von Transportaufträgen für Totholz aus den Wäldern für ausländische Firmen geöffnet. Waldbauern sollte dies helfen, da der zur Käferprävention nötige Holzabtransport derzeit durch eine völlig überlastete Logistikbranche limitiert werde.

Schließlich stellte der Ministerpräsident einen Aktionsplan des Landtags in Aussicht. Vorgesehen seien erhebliche zusätzliche Hilfen für Waldbauern aus Landesgeld in den nächsten Haushaltsjahren.

Mit der Stellungnahme reagiert Haseloff auch auf Kritik von Waldbesitzerverband und Forstwirtschaft. Der Waldbesitzerverband hatte dem Kabinett in einem Brandbrief vom Dienstag „Agonie angesichts der größten Katastrophe in unseren Wäldern seit dem Zweiten Weltkrieg vorgeworfen“ und Gespräche über wirksame Hilfen gefordert.

Experten zufolge sind Sachsen-Anhalts Wälder aktuell von den schlimmsten Schäden seit Jahrzehnten betroffen. Vor allem Fichten und Buchen sind geschädigt. Laut Umweltministerium fielen durch Stürme, Dürre und Käferbefall allein 2018 3,4 Millionen Kubikmeter Schadholz an. Im laufenden Kalenderjahr kam bislang eine halbe Million Kubikmeter hinzu. Angesichts der Lage hat sich am Freitag auch die „Arbeitsgruppe Zukunft – Wald- und Forstwirtschaft Harz“ mit einem Brief an Haseloff gewandt. Die Verfasser fordern Hilfen im zweistelligen Millionenbereich zur Beräumung der Wälder von Totholz, um der Borkenkäfer-Ausbreitung vorzubeugen.

Die aktuelle Dürrephase birgt die nächste Gefahr für die Wälder. Die Altmarkkreise, das Jerichower Land sowie die Börde riefen die höchste Waldbrandwarnstufe 5 aus.

Angesichts der Waldschäden im Harz schlägt nach dem Waldbesitzerverband jetzt auch die Forstwirtschaft Alarm. In einem Brandbrief haben sich Mitglieder der Arbeitsgruppe „Zukunft – Wald- und Forstwirtschaft im Harz“ gestern an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gewandt. Darin warnen die Verfasser um den Holztechnik-Professor Matthias Zscheile nach Schäden durch Stürme und Dürre 2018 vor einer neuen Schadens-Katastrophe, diesmal vor allem durch Borkenkäfer. In den geschwächten Beständen hätten sich „noch nie dagewesene Populationen entwickelt, die den Schadholzanfall dramatisch ansteigen lassen“.

Wegen überfüllter Holzlagerstätten und geringer Holzpreise im Umfeld eines gesättigten Marktes bleibe frisches Totholz in den Beständen. Die Folge: „Es hat sich ein furchtbarer Teufelskreis entwickelt.“ Das Holz biete einen idealen Nährboden für neue Käfergenerationen.

Mit Sorge beobachtet die Arbeitsgruppe auch die Entwicklung der Buchenbestände. Viele Bäume seien in der Trockenheit der vergangenen Monate schlicht verdurstet. Im benachbarten Thüringen sind laut Medienberichten bereits Buchen auf 14.200 Hektar Fläche vertrocknet. Um eine Katastrophe durch Käfer noch abzuwenden, brauche es rasch Hilfen vom Land „in zweistelliger Millionenhöhe“, hieß es. Das Geld müsse zur Unterstützung der Waldbauern für Holzankauf, Einlagerung und Abtransport eingesetzt werden. Zudem fordern die Mitglieder die Einrichtung eines Krisenstabs.

Umwelt-Staatssekretär Ralf-Peter Weber verwies auf neue Landes-Förderprogramme, „die in Kürze“ greifen. Einen Krisenstab hält Weber indes nicht für sinnvoll. Die Mitarbeiter des staatlichen Landeszentrums Wald stünden Waldbauern als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. Aus der CDU kommt unterdessen Kritik am Vorgehen von Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne). CDU-Agrarexperte Bernhard Daldrup warf Dalbert vor, eine Richtlinie für die in Aussicht gestellten Förderprogramme verschleppt zu haben. „Das Papier hätte schon im April vorliegen können“, sagte er.

Kommunen um den vor menschlichen Eingriffen geschützten und damit besonders betroffenen Nationalpark Harz beobachten die Entwicklung dort derweil beunruhigt: „Das Baumsterben hat ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht“, sagte etwa Wernigerodes Sprecher Tobias Kascha. Er kritisierte eine vom Park aufgelegte Kampagne, die Kinder unter anderem mit dem Maskottchen „Berti Borkenkäfer“ über das Wirken von Tieren informiert. „Ob diese Kommunikationsstrategie richtig ist, darf bezweifelt werden.“