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Familienpolitik Warum der Familienbund der Katholiken die Ampelkoalition gut findet

Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbunds der Katholiken, spricht im Interview über Transrechte, ein modernes Familienbild in der katholischen Kirche und was er sich bei der Familienpolitik von der Ampel erhofft.

Von Robert Gruhne Aktualisiert: 22.03.2023, 17:25
Ulrich Hoffmann vom Familienbund der Katholiken hat Magdeburg besucht.
Ulrich Hoffmann vom Familienbund der Katholiken hat Magdeburg besucht. Foto: Robert Gruhne

Magdeburg - Die Ampel will mehr Geld für Kinder, neben der Ehe eine Verantwortungsgemeinschaft und das Transsexuellengesetz abschaffen. Volksstimme-Reporter Robert Gruhne sprach mit Ulrich Hoffmann darüber, was der Familienbund der Katholiken davon hält. Hoffmann ist seit 2018 Präsident des Lobbyverbands für Familien.

Beim „Synodalen Weg“ haben die deutschen Bischöfe dafür gestimmt, dass Homosexuelle gesegnet werden können. Wird die katholische Kirche liberaler?

Es wäre schön, wenn sie immer menschenfreundlicher wird und den verschiedenen Lebensrealitäten respektvoll begegnet. Deswegen freue ich mich, dass jetzt nicht nur Homosexuelle, sondern auch Geschiedene und Wiederverheiratete gesegnet werden dürfen. Ein weiterer Beschluss war, dass verschiedene geschlechtliche Identitäten anerkannt werden. Das war auch überfällig.

Was zählt für Sie als Familie?

Familie ist im Grunde überall dort, wo Menschen generationenübergreifend füreinander Verantwortung übernehmen. Für uns ist wichtig, dass die Menschen selbst bestimmen, welche Formen für sie passen. Und wir wollen die Familie mit der nötigen Zeit ausstatten, dass sie sich auch als Familie erleben kann.

Was ist aktuell die größte Herausforderung für Familien?

Im Moment die starke Inflation. Wir sehen die von der Regierung geplante Kindergrundsicherung deshalb mit Sympathie, auch wenn es zu vielen wichtigen Fragen im Moment noch keine Einigung gibt.

Was hätten Sie denn gern?

Kindergeld und Kinderzuschlag sollten zu einer grundsätzlichen Förderung für Kinder und Familien zusammengenommen werden. Ziel ist, dass Familien nicht in Armut geraten, weil sie Kinder haben. Die Leistungen müssen auch transparenter werden. Viele Familien wissen heute gar nicht, was es für Hilfe gibt.

Wie haben die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche Ihre Arbeit als Verein, der sich für Familien und Kinder einsetzt, beeinflusst?

Diese Erschütterung war auch unsere Erschütterung. Es ist fürchterlich, dass kirchliche Einrichtungen keine guten und sicheren Orte für Kinder – und übrigens auch Frauen – waren. Den „Synodalen Weg“ haben wir deshalb von Anfang an unterstützt. Die Verhinderung von Missbrauch ist generell ein wichtiges Thema für uns. Viel Missbrauch passiert auch in Familien. Wir wollen sensibilisieren und bieten auch Kurse an, damit Familien sicher sind und kirchliche Einrichtungen ebenso.

In Sachsen-Anhalt heiraten immer weniger Menschen. Wofür braucht es die Ehe heute noch?

Corona hat hier auf jeden Fall für einen Einbruch gesorgt. Die Frage ist aber auch: Kann man sich heute einander ein Leben in Verbindlichkeit zusagen, wenn man vielleicht gar nicht weiß, wo das eigene Netzwerk einmal sein wird? Ist Magdeburg ein guter Standort? Vielleicht zieht es mich beruflich mal nach München oder sonst wohin? Als Familienbund sagen wir: Die Ehe ist ein erstrebenswertes Ziel. Die Sehnsucht des Menschen nach verlässlichen Beziehungen ist da.

Die Ampel hat den Plan einer Verantwortungsgemeinschaft, in der zwei oder mehr Menschen, die nicht in einer Liebesbeziehung sind, füreinander sorgen. Was halten Sie davon?

In kirchlichen Kreisen wurde ja vielfach befürchtet, es könnte eine „Ehe light“ werden, also eine unverbindlichere Alternative zur Ehe. Das wäre kritisch zu bewerten. Ich sehe es momentan aber nicht. Es geht tatsächlich um Formen, wo Menschen – oft im Alter – Verantwortung übernehmen und nacheinander schauen. Das ist durchaus zu begrüßen. Einsamkeit ist ein immer größeres Problem in unserer Gesellschaft, das zunehmend auch Jüngere betrifft.

Der Justizminister hat die „größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“ angekündigt. Was sollte darin enthalten sein?

Ich sehe die Ampelkoalition mit gewisser Sympathie, aber sie ist momentan gut in der Formulierung großer Überschriften. Wichtig ist, auch in der Frage von geschlechtlichen Identitäten weiterzukommen. Das alte Transsexuellengesetz gehört abgeschafft.

Das Selbstbestimmungsgesetz soll es ersetzen.

Das sehen wir grundsätzlich positiv. Das alte Gesetz ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das ganze Prozedere ist entwürdigend. Aus psychologischer Sicht wäre ich aber vorsichtig, bei Kindern und Jugendlichen zu früh auf Transitionen hinzuwirken, was der Regierungsvorschlag momentan vorsieht. Geschlechtliche Identitäten können sich verändern. Rechtliche Reformen sind auch in der Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung notwendig. Gut wäre, wenn der Beitrag der Familien bei den Sozialversicherungen endlich gesehen würde. Denn diese sind im Moment, mit der kleinen Ausnahme Pflegeversicherung, blind für die Frage, wie viele Menschen von einem Einkommen leben müssen.

Also soll es einen finanziellen Vorteil für Familien mit vielen Kindern geben?

Unser Ziel ist nicht, dass Kinderlose mehr belastet werden. Haushalte, in denen Kinder aufwachsen, müssen entlastet werden, da sie die Sozialversicherung mit der Kindererziehung bereits wesentlich stützen. Der ehemalige Sozialrichter Jürgen Borchert hat mal formuliert: Erst klaut der Staat der Familie die Sau vom Hof und dann schenkt er ihr zwei Koteletts zurück. Wir finden, es wäre gut, der Familie die Sau zu lassen.