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Kohleausstieg: Einigung über Entschädigungen rückt näher

Vor fast einem Jahr hat eine von der Regierung eingesetzte Kommission einen Bericht für einen Kohleausstieg bis 2038 vorgelegt. Nun ist Bewegung in die Verhandlungen gekommen.

10.01.2020, 16:09

Berlin (dpa) - Zum geplanten Kohleausstieg in Deutschland rückt eine Einigung über milliardenschwere Entschädigungen für Betreiber von Braunkohlekraftwerken näher. Dazu sind Anfang der Woche Treffen zwischen den Betreibern mit der Bundesregierung geplant, auch auf Spitzenebene. Dann könnte es eine Einigung geben, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Verhandlungskreisen erfuhr.

Wie die "Rheinische Post" berichtete, könnte alleine RWE für den Kohleausstieg bis zu zwei Milliarden Euro an Entschädigung erhalten. Darüber hinaus könnte der Staat das Anpassungsgeld übernehmen, das die Beschäftigten erhalten, die ihren Arbeitsplatz im rheinischen Revier verlieren.

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, die Gespräche mit den Betreibern liefen noch. Ziel sei ein Ergebnis im Konsens. Die Sprecherin wollte die Zahl von zwei Milliarden Euro an Entschädigungen weder bestätigen noch dementieren.

Am Mittwochabend ist ein Spitzentreffen der Ministerpräsidenten der Kohle-Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt geplant.

Fraglich ist, ob das Bundeskabinett am kommenden Mittwoch den Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz beschließt - mit einem Fahrplan, bis wann und wo Kraftwerke stillgelegt werden. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hatte vor fast einem Jahr einen Bericht für einen schrittweisen Kohleausstieg bis 2038 vorgelegt. Die Bundesregierung hatte zugesagt, das Konzept umzusetzen. Für den Strukturwandel in den Kohle-Regionen hatte die Bundesregierung Hilfen in Milliardenhöhe zugesagt.

RWE-Chef Rolf Schmitz hatte im vergangenen Jahr Entschädigungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro für jedes Gigawatt Leistung gefordert, das bis 2022 vom Netz gehen soll. RWE werde die Hauptlast der Braunkohlekapazität von drei Gigawatt tragen müssen, die bis 2022 abgeschaltet werden soll, betonte er damals.

Nach Informationen der "Rheinischen Post" soll es am Sonntagabend zudem ein Gespräch der Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff, mit Kanzleramtsminister Helge Braun (alle CDU) geben.

Kretschmer und Haseloff drängen die Bundesregierung, Ostdeutschland beim Ausstieg aus der Kohleenergie im Vergleich zum Westen nicht zu benachteiligen. Nachteile könnte es im Osten vor allem geben, weil der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper überlegt, all seine Kohlekraftwerke abzuschalten oder auf Gas umzurüsten. Dazu könnte es kommen, wenn der Neubau Datteln 4 im Ruhrgebiet als modernstes Kohlekraftwerk Europas ans Netz gehen kann. In Schkopau in Sachsen-Anhalt betreibt Uniper mit dem Konzern EPH ein Braunkohle-Kraftwerk.

"Die Bundesregierung darf von den Ergebnissen der Kohlekommission nicht abrücken", sagte Haseloff dem "Spiegel". Er forderte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf, die Pläne zu stoppen. "Die Menschen hier verstehen nicht, warum im Westen ein Kraftwerk eröffnet werden soll und Arbeitsplätze in Tagebauen und Kraftwerken im Osten wegfallen sollen."

Sachsens Ministerpräsident sagte am Freitag der Deutschen Presse-Agentur, der Ausstieg aus der Braunkohle sei von der Bundesregierung politisch gewollt. "Deshalb muss die Politik auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass es zu keinen negativen Folgen für die Menschen kommt." Seit einem Jahr würden die Betroffenen auf einen Beginn der Investitionen warten. "Das Vertrauen in die Zusagen schwindet - auch bei mir", so Kretschmer.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: "Das Problem scheint mir, dass die Bundesregierung insgesamt schlecht bei den Entschädigungen verhandelt und uralten und längst abgeschriebenen Braunkohlekraftwerken aus den 60er Jahren noch Geld für die Abschaltung hinterher werfen will. Diese Mittel fehlen dann, um wichtigere Knoten zu lösen." Krischer kritisierte außerdem erneut eine mögliche Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Datteln 4.

Der FDP-Energiepolitiker Martin Neumann sagte: "Was immer die Bundesregierung mit den Kraftwerksbetreibern an Entschädigungszahlungen für Kohlestilllegungen nun auskungelt - klar ist jetzt schon: Es wird teuer." Auch wenn die Bundesregierung bisher das Gegenteil beteuere: "Natürlich wird die horrende Rechnung für diesen rein symbolischen und völlig unnötigen Kohleausstieg an den Verbraucher durchgereicht werden." Der FDP-Politiker Lukas Köhler sprach von einem "völlig sinnlosen Milliarden-Geschenk" an die Kraftwerksbetreiber.

Teil des Entwurfs für ein Kohleausstiegsgesetz waren ursprünglich auch die Abschaffung eines Förderdeckels für neue Solaranlagen sowie Mindestabstände von Windrädern zu Wohnhäusern. Diese Aspekte wurden aber ausgekoppelt. Über den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es Streit innerhalb der schwarz-roten Koalition.