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Im Gespräch mit Lothar Finzelberg zur aktuellen Situation im Sport des Landes Wer mit Verwunderung reagiert, kennt die aktuelle Situation nicht

10.09.2009, 05:00

Im Sport Sachsen-Anhalts rumort es gewaltig. In einer " Osterburger Erklärung " haben die Leitungsgremien des Landessportbundes Alarm geschlagen, weil sie die Gesamtstruktur des gemeinnützigen Sports im Land gefährdet sehen. Peter Skubowius holte sich dazu am Rande der Verleihung der Sterne des Sports Auskunft aus erster Hand, schließlich ist der Landrat des Jerichower Landes, Lothar Finzelberg, nicht nur 1. Vorsitzende des Kreissportbundes, sondern auch " 1. Vize " des LSB :

Volksstimme : Herr Finzelberg, weshalb zum jetzigen Zeitpunkt diese Alarmsignale ? Hat der Sportbund zu lange geschlafen ?

Lothar Finzelberg : Anlässlich der Überreichung der " Sterne des Sports " am 8. 9. 2009 in der Volksbank Jerichower Land in Burg habe ich angesichts der Vielfalt der von den Vereinen präsentierten sportlichen Leistungen auf die Bedeutung des Ehrenamtes hingewiesen. Sportliche Höchstleistungen entstehen immer da, wo am Sport Interessierte, besonders Kinder und Jugendliche, auf ehrenamtlich engagierte Trainer, Betreuer und Vereinsfunktionäre treffen. Beispielhaft habe ich auf die Genthiner Mädchen Marie Weimann und Sarah Beudt verwiesen, die im Radsport die gesamte bundesdeutsche Elite beim Spee-Cup hinter sich ließ oder auf Jofi Stübing, die jetzt in der Nationalmannschaft Frauenfußball U 17 spielt und bei Borussia Genthin ihre ersten Tore geschossen hat.

Von diesem Ausgangspunkt wird klar, dass der ehrenamtlich organisierte Sport in Sachsen-Anhalt, in dem 350. 000 Mitglieder ihre Heimat sehen, angesichts der enormen bürokratischen Belastung ihrer Arbeit ihren Emotionen freien Lauf lassen und so letztlich mit ihren Protesten die " Osterburger Erklärung " wesentlich mit veranlasst haben. In weiteren Besprechungen mit Vertretern des Sports, so z. B. am 10. und 11. August 2009 gab es seitens der ehrenamtlichen Sportfunktionäre erhebliche Kritiken an dem selbstherrlichen und respektlosen Auftreten der Mitarbeiter des Ministeriums gegenüber dem Ehrenamt und dem LSB. Das sind insgesamt nur einige der Zusammenhänge, die zur " Osterburger Erklärung " führten.

Volksstimme : Das für den Sport in Sachsen-Anhalt zuständige Sozialministerium hatte nichts eiligeres zu tun, als darauf hinzuweisen, dass ja der Sport selbst an der Ausarbeitung der Richtlinien beteiligt war. Und Sie waren ja als 1. Vizepräsident mehr als involviert. Haben Sie schlechte Arbeit geleistet ?

Finzelberg : Wer, wie das Ministerium für Soziales, mit " Verwunderung " darauf reagiert, zeigt, dass er die aktuelle Situation im Sport unseres Landes nicht kennt. In den öffentlichen Kommentaren wird dann wiederholt der Vorwurf geäußert, die jetzigen Regelungen wären doch im Einvernehmen mit dem LSB getroffen. Dazu muss ich Folgendes richtig stellen : die Vereinspauschale für jeden Verein pro Mitglied auszuzahlen, habe ich immer für falsch gehalten, aber meine, wie auch die Bedenken anderer Vertreter des LSB, wurden vom Ministerium nicht berücksichtigt. Das Ergebnis ist jetzt, dass zahlreiche Vereine, die Nachwuchsarbeit mit Kindern und Jugendlichen machen und damit erhebliche Mehrkosten haben, gleichgestellt sind mit Vereinen ohne jegliche Nachwuchsarbeit. Das halte ich nach wie vor für nicht richtig.

Auch bei der Sportstättenförderung sind die Anträge für 2009, die bereits zum Ende 2008 vorlagen, bis heute nur in einem zu geringen Teil positiv entschieden. Die vom Sport festgesetzten Prioritäten wurden weitestgehend nicht beachtet und zahlreiche Vereine haben bereits auf ihre Maßnahmen verzichtet, weil sie in 2009 nicht mehr umgesetzt werden können.

Alle sieben Vorhaben aus dem Landkreis Jerichower Land, die in der Prioritätenliste aussichtsreiche Plätze unter den ersten fünfzig hatten, sind bisher nicht berücksichtigt. Darunter auch die Rekonstruktion der Sanitäranlagen und Umkleideräume bei SV Lok Jerichow, die der Kreissportbund als wichtigste Maßnahme unseres Landkreises beurteilt hat und die auf der landesweiten Prioritätenliste ebenfalls weit vorn lagen.

Volksstimme : Das Ministerium ließ verlauten, dass es eine Rückkehr zur alten und vom Landesrechnungshof scharf kritisierten Sportförderung nicht geben wird ?

Finzelberg : Wenn das Ministerium darauf besteht, auch weiterhin den Sport keine Verantwortung zurückzugeben, und dies mit den zahlreichen Feststellungen des Landesrechnungshofes zum Finanzgebaren des LSB in der Vergangenheit begründet, so ist dies nicht zutreffend. Gerade Vereinsförderung und Sportstättenförderung wurden durch den Landesrechnungshof nicht kritisiert. Die zuständigen Mitarbeiter im LSB haben diese Aufgabe zügig und verantwortungsbewusst in der Vergangenheit geregelt. Heute wird diese Aufgabe von der Investitionsbank oder dem Landesverwaltungsamt durchgeführt, die aber alle ihre Entscheidungen zuvor vom Ministerium freigeben lassen müssen. Neben der enorm langen Bearbeitungszeit kommt noch hinzu, dass für diese Leistungen zusätzliche nennenswerte Finanzmittel zur Bezahlung der Mitarbeiter in der Investitionsbank nötig werden, die dem Sport entzogen werden.

Volksstimme : Kurzum, das Sporttreiben in Sachsen-Anhalt wird künftig teurer ?

Finzelberg : Die finanziellen Spielräume in den Landesfachverbänden, Kreis- und Stadtsportbünden und den Vereinen sind bis aufs Letzte ausgereizt. Die in Rede stehenden Reduzierungen der Personalkostenförderung auf 80 Prozent und eine weitere Reduzierung der Finanzmittel mit dem Haushalt 2010 um 10 bis 15 Prozent ist in allen Gliederungen nur durch eine erhebliche Erhöhung der Umlagen und Mitgliedsbeiträge möglich. Um es auf einen Punkt zu bringen, die Kürzungen der Landesmittel sollen die 350. 000 Mitglieder in den Vereinen vom Kind bis zu den Senioren bezahlen.

Und bevor der ehrenamtlich organisierte Sport in Sachsen-Anhalt komplett zusammen bricht, hoffe ich jetzt angesichts der Brisanz der Situation auf ein Umdenken der Verantwortlichen Politiker im Landtag und in der Landesregierung von Sachsen-Anhalt.