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Leichtathletik Eine Europameisterin aus Salzwedel

Das Olympiastadion von Breslau war Ende Juli 1938 der Mittelpunkt des Sports im damaligen Deutschen Reich.

Von Marco Heide 06.05.2020, 05:00

Salzwedel l  Zehntausende Sportler und Zuschauer trafen sich zum Deutschen Turn- und Sportfest und den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften, bei denen der Titel im Weitsprung nach Salzwedel ging.

Sie war vermutlich die erste große Sportlerin, die Salzwedel hervorbrachte. Irmgard Wöller, geborene Praetz gewann im Juli 1938 die Deutsche Meisterschaft im Weitsprung. Sie brachte es in Breslau, das heutige Wroclaw in Polen, auf eine Weite von 5,68 Meter. Am 17. September des gleichen Jahres konnte die Salzwedelerin diese Leistung noch einmal toppen. Mit 5,88 Metern gewann sie den Europameisterinnen-Titel im Wiener Praterstadion und das als Athletin des Turn- und Sportvereins „Jahn“.

Irmgard Praetz wurden am 9. August 1920 in Salzwedel geboren. Ihre Eltern betrieben die Gaststätte „Kaisergarten“ am Birkenwäldchen. 1952 zog sie mit ihrem Mann, den sie 1944 heiratete und dessen Namen Römer annahm, und ihren drei Kindern nach Münster und verstarb im Alter von 88 Jahren am 7. November 2008 bei München.

Ihr größter Erfolg war zweifelsohne der Gewinn der Europameisterschaft. Drei Tage nach diesem Triumph empfingen die Salzwedeler die Sportlerin auf dem Hauptbahnhof. Der Bürgermeister, Dr. Isernhagen, überreichte Irmgard Praetz ein Bandmaß, um neue Weltrekorde zu messen, ein Paar Sportschuhe, um Anlauf zu nehmen und ein Fahrrad. Weiterhin wurde der 17-Jährigen Schulgeldfreiheit bis zum Ende der Schulzeit eingeräumt.

1940 belegte Praetz den zweiten Platz bei der Deutschen Meisterschaft im Weitsprung. Zehn Jahre später folgte noch einmal ein nationaler Titel in der DDR. Im Fünfkampf (80 Meter Hürden, 100-Meter-Lauf, Speerwurf, Kugelstoßen und Weitsprung) belegte sie den ersten Platz.

Als Irmgard Praetz 1938 in Breslau ihren ersten großen Titel holte, zeigten drei weitere Sportlerinnen aus Salzwedel gute Leistungen beim parallel zur Leichtathletik-Meisterschaft ausgetragen Deutschen Turn- und Sportfest. An dieser Großveranstaltung beteiligten sich 150 000 Aktive. Zum Programm gehörte ein Festumzug mit ebenso vielen Teilnehmern.

Die Salzwedelerinnen Dora Noertersheuser (geborene Wöller), Irmgard Ehlers und Anni Schenk (geborene Fiedler) gehörten zum Starterfeld beim Zehnkampf, einer Mischung aus Leichtathletik und Geräteturnen. Alle drei qualifizierten sich für die Meisterklasse, die Dora Noertersheuser gewinnen konnte.

Noertersheuser, die am 3. Dezember 1910 in Berlin-Charlottenburg geboren wurde, besuchte in Salzwedel die Schule. Ihr Vater war der Architekt Rudolph Wöller aus Lohne bei Arendsee. Die Athletin lernte den Beruf der Weiß(Wäsche)näherin. Sie übte einige Jahre diese Tätigkeit aus, wechselte dann aber als Kanzleiangestellte in die Kreisverwaltung. Als sich abzeichnete, dass ihre Mann Kurt Noertersheuser nicht aus dem Krieg zurückkehrt, entschied sie sich dafür, ihr Leben dem Sport zu widmen.

Dora Noertersheuser verwirklichte ihren Kindheitstraum und wurde Sportlehrerin. Ab 1954 unterrichtete sie an der Grundschule II (spätere Jenny-Marx-Schule) in Salzwedel. Sie war darüber hinaus als Übungsleiterin tätig und trat erfolgreich bei großen Wettkämpfen in ihrer Altersklasse an. Beispielsweise holte sie zwei Goldmedaillen beim Deutschen Turn- und Sportfest in Leipzig. Außerdem zeichnete sie der DTSB unter anderem mit der „Friedrich-Ludwig-Jahn“-Medaille aus.

Dora Noertersheuser vollbrachte Höchstleistungen auf nationalem, Irmgard Praetz gar auf internationalem Niveau. Das gelang nach ihnen nur noch der gebürtigen Salzwedelerin Doris Maletzki, die 1976 Olympia-Gold mit der DDR-Staffel über 4x400-Meter holte.