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Schwimmen Schmidtke verschiebt Karriereende

Für Aliena Schmidtke vom SC Magdeburg sollte nach den Sommerspielen in Tokio Schluss sein. Doch ihre Reise geht weiter.

Von Daniel Hübner 06.04.2020, 01:01

Magdeburg l Aliena Schmidtke hat unfreiwillig einen besonderen Pakt mit dem Schicksal geschlossen. Ein Schicksal, das ihre Geduld immer wieder auf die Probe gestellt hat. Ein Beispiel: 2016 hat sie ihren Traum von einem Start bei den Olympischen Spielen in Rio über die 100 Meter Schmetterling um eine Zehntelsekunde verpasst. Den Traum musste sie also weiterträumen, ursprünglich bis zum Jahr 2020, nach der Verlegung der Sommerspiele in Tokio nun bis zum Jahr 2021 (23. Juli bis 8. August). „Für mich ist das ein Vorteil“, gesteht die Schwimmerin vom SCM. Gerade nach den schicksalhaften Erfahrungen aus 2019, nach denen sie einen kompletten Neuaufbau starten musste.

Schmidtke ist nach all den Rückschlägen in ihrer Karriere immer wieder aufgestanden, aber nach den vier Monaten von Januar bis April in Gainsville (Florida), die sie im Trainingscamp von Starcoach Gregg Troy und in der Hoffnung auf den großen Leistungsschub verbracht hatte, drohte das mentale Nervenkostüm zu bröckeln. Für Troy hatte sie Columbus (Ohio), wo sie als Forschungsassistenin gearbeitet hatte, wo sie sechseinhalb Jahre geschwommen war, verlassen. Und wurde enttäuscht, weil Troy eine andere Auffassung über Aliena Schmidtke hatte als Schmidtke selbst, weil sie beide deshalb nie zu der einen und der selben Sprache über das Schwimmen fanden. Und dann setzte sie auch noch wochenlang eine schwere Lungenentzündung außer Gefecht.

Nach einem Gespräch mit Bernd Berkhahn, Trainer der SCM-Athleten und Bundestrainer zugleich, stand deshalb ihre Entscheidung alsbald fest: Ab 1. Mai 2019 kehrte sie zurück nach Magdeburg, nachdem sie innerhalb von zwei Wochen alles verkauft hatte in Amerika, was verkauft werden musste – inklusive Auto. „Ich musste danach wieder das Vertrauen aufbauen.“ Nicht nur in ihre eigenen Fähigkeiten: „Auch zum Trainer, damit hatte ich ein ordentliches Problem“, sagt sie.

Dieses Problem hat die 27-Jährige gelöst mit der Sportpsychologin Christine Stucke und Trainer Berkhahn. Baustein für Baustein reihten Schmidtke und der Coach aneinander, um ihre Grundlagen neu zu definieren und dann zu legen für die Rückkehr zu schnellen Zeiten. Schon im vergangenen Oktober, beim Weltcup in Berlin, zeigte die Arbeit in Magdeburg, wo sie zwischen 2005 und 2011 ausgebildet worden war, erste Wirkung: Sie wurde Dritte über 100 Meter Schmetterling in 59,12 Sekunden, sie wurde Dritte über die halbe Distanz in 26,14 Sekunden. Und sie legte zugleich einen Ruf ab, der ihr immer anhaftete: „Ich war sonst immer gute Vierte“, sagte sie nach den Rennen. Die weiteren Langbahn-Wettkämpfe wie das Internationale Pokalschwimmen im Dezember und den MWG-Cup im Februar in Magdeburg „schmetterte“ sie aus der höchsten Trainingsbelastung heraus.

Eigentlich wäre Schmidtke nun in der Phase, in der sie sich für die Sommerspiele qualifizieren müsste. „Ich fühle mich körperlich fit“, sagt sie. „Und es ist schade, dass ich das nicht zeigen kann.“ Spätestens und damit auf den letzten Drücker bei den deutschen Meisterschaften am ersten Mai-Wochenende wollte sie die Olympianorm abliefern: 57,90 Sekunden. Ihre Bestzeit steht bei 57,87 Sekunden. Aber wie fast alles fallen die nationalen Titelkämpfe ins Wasser. Derzeit bietet zumindest die Europameisterschaft in Budapest im August noch eine Chance auf einen internationalen Start. Sollten diese überhaupt stattfinden – die Entscheidung fällt voraussichtlich Ende Mai – müssen die Bundestrainer Berkhahn und Hannes Vitense erst einen Kader schmieden.

Schmidtke bleibt also derzeit wie allen nur: Training. Im Höhentrainingslager in der Sierra Nevada (Spanien) im Februar und März „bin ich sehr harte Serien geschwommen, entsprechend bin ich auch sehr müde zurückgekehrt“, berichtet sie. Luft sei natürlich immer nach oben, „aber das gilt für jeden Athleten, keiner ist perfekt“.

So tastet sie sich in den nächsten Monaten weiter an ihre perfekte Leistung heran. Schmidtke wollte eigentlich nach Tokio die Karriere beenden, aber es bestand nach der Verlegung nie ein Zweifel, dass sie ihre Reise durch die Karriere noch bis 2021 fortsetzen würde. „Dafür habe ich zu viel Arbeit in meinen Traum investiert“, betont sie. Und sich von vielen Schicksalsschlägen erholt.

Jetzt sind es gleich mehrere gute Gefühle, die die Zuversicht der Aliena Schmidtke bestärken, dass sie auch den Kampf gegen das Schicksal gewinnen wird: Zum einen ist es die Zusammenarbeit mit Stucke und Berkhahn, zum anderen ist es die Tatsache, „dass ich nicht noch einmal einen kompletten Neuaufbau starten muss“.