1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Deutsche Wellenreiter wollen zu Olympia

Lifestyle und Leistungssport Deutsche Wellenreiter wollen zu Olympia

"Auf der Welle des Erfolges reiten" - diese Redewendung könnte 2020 so gut in eine Reportage von den Olympischen Spielen passen, wie noch nie. In Tokio kämpfen erstmals Wellenreiter um Olympiamedaillen. Auch deutsche Surfer wollen dabei sein.

Von Thomas Eßer, dpa 22.07.2019, 10:52
Wellenreiten feiert 2020 in Tokio olympische Premiere. Der Lübekcer Surfer Leon Glatzer will dabei sein. Foto: Andrew Christie/Deutscher Wellenreit-Verband
Wellenreiten feiert 2020 in Tokio olympische Premiere. Der Lübekcer Surfer Leon Glatzer will dabei sein. Foto: Andrew Christie/Deutscher Wellenreit-Verband Deutscher Wellenreit-Verband

Tokio (dpa) – Den ganzen Tag am Strand rumhängen, zwischendurch ins Meer springen und abends am Lagerfeuer relaxen: Die Klischees, die Wellenreiter umgeben, klingen nach Urlaub – nicht nach Leistungssport.

In einem Jahr geht es für sie in Tokio erstmals um olympische Medaillen. Wie passt der Surfer-Lifestyle zum Ringe-Spektakel und welche Rolle spielen deutsche Wellenreiter bei den Spielen?

Dass bei den Surfern vieles etwas anders ist, als bei den Sportlern traditioneller olympischer Disziplinen, zeigt sich schon an den Aufenthaltsorten der Athleten. Die größten deutschen Hoffnungsträger im Kampf um einen der begehrten Tokio-Startplätze sind nicht am Olympiastützpunkt in Hamburg, Berlin oder im Schwarzwald anzutreffen. Leon Glatzer und Rachel Presti bereiten sich da auf die Qualifikationswettkämpfe vor, wo die Wellen sind: In Costa Rica, auf den Malediven, in Südafrika und in Portugal.

Rund zehn Monate im Jahr ist Glatzer unterwegs. "Unsere Surfbretter und unser Gepäck sind unser Zuhause. Davon leben wir", sagt der 22-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Mit entspanntem Strandleben und Lagerfeuerromantik hat sein Alltag aber nur am Rande zu tun. Spezielle Ernährung, Krafttraining, Videoanalyse: Das Wettkampfsurfen wird immer professioneller. Wer erfolgreich sein will, darf sich nicht gehen lassen. Trotzdem sagt Glatzer: "Ich lebe meinen Traum. Es ist der beste Job, den man haben kann."

Seine Eltern kommen aus Kassel, geboren ist er auf Hawaii, aufgewachsen in Costa Rica – das Reisen scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein. Trotzdem: Das Leben aus dem Koffer hat nicht nur schöne Seiten. Familie und Freunde aus der Schulzeit sieht er kaum.

Genau wie Presti. Die 17-Jährige ist in Florida großgeworden, ihr Vater ist US-Amerikaner, ihre Mutter kommt aus Deutschland. Wie Glatzer lebt sie von Sponsoren, Wettkampf-Preisgeldern und wird vom Deutschen Wellenreit-Verband (DWV) unterstützt. Zudem hilft ihr ihre Familie.

Mit guten Ergebnissen – auch gegen hochklassige internationale Konkurrenz – machte Presti zuletzt auf sich aufmerksam. "Sie hat einen wirklich guten Lauf und wenn sie das bis Japan beibehalten kann, hat sie gute Chancen, die Olympia-Qualifikation zu schaffen", sagt Neele Koch, Leistungssportreferentin im DWV. Im japanischen Miyazaki finden vom 7. bis zum 15. September die "World Surfing Games" des internationalen Verbandes ISA statt – eine von zwei Möglichkeiten für Presti, Glatzer und vier weitere deutsche Surfer, das Tokio-Ticket zu buchen.

Zu den Top-Favoriten zählen sie dabei aber nicht. Deutsche Wellenreiter sind im internationalen Vergleich immer noch Außenseiter. "Wenn die anderen Surfer einen Deutschen im Wettkampf sehen, dann fragen sie: "Wer ist der Typ?"", erzählt Glatzer und lacht. "Und wenn ich dann ins Viertelfinale oder Halbfinale komme, oder sogar ein Event gewinne, können sie es nicht glauben." Nicht nur, aber auch dank der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, Wellenreiten ins Programm der Spiele aufzunehmen, wird der Sport auch im Surf-Entwicklungsland Deutschland immer professioneller.

Dennoch – oder vielleicht auch gerade deshalb – findet nicht jeder Wellenreiter Surfen bei Olympia gut. Das Spontane, Ungezwungene und mit der Natur Verbundene des Surf-Lifestyles passe nicht zum Gigantismus der Spiele, lautet ein Kritikpunkt. Glatzer sieht das entspannter. "Es wird ja niemand gezwungen, Wettkämpfe zu surfen", sagt er. "Jeder kann wählen, das ist das Schöne am Surfen: Du kannst versuchen, dich für Olympia zu qualifizieren, oder einfach so surfen und den Lifestyle leben."

Für ihn öffnet die Olympia-Chance "viele Türen – auch was Sponsoren und finanzielle Unterstützung angeht", erzählt Glatzer. "Wir haben Coaches bekommen und werden ganz anders trainiert als früher. Das bringt das Surfen auf ein ganz neues Level." Auch aus Prestis Sicht "wertet Olympia das Surfen extrem auf". Sie ist davon überzeugt, dass die Spiele auch die Außenwahrnehmung ihrer Sportart verändern werden: "Olympia, wird dafür sorgen, dass Surfen als Sport und nicht nur als spaßiger Lifestyle angesehen wird."

Informationen zu den World Surfing Games

Informationen zu den Olympischen Spielen in Tokio

Informationen zum Deutschen Wellenreit-Verband