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Wiener Burgtheater Martin Kusej: Schwieriger Start mit düsterer Inszenierung

Martin Kusej steht für Irritation und Aufregung. Seine erste Inszenierung als neuer Direktor des Wiener Burgtheaters ist in erster Linie eine Warnung vor Lügnern und Populisten.

Von Fabian Nitschmann, dpa 29.11.2019, 06:44

Wien (dpa) - Am Ende mischen sich deutliche Buhrufe in den freundlichen, höflichen Applaus des Premierenpublikums im Wiener Burgtheater. Martin Kusej nickt einem der Rufer zu, sein Blick und seine Gestik vermitteln ein provokantes "Was willst Du denn?".

Der neue Burgtheater-Direktor und das Wiener Publikum sind noch nicht warm miteinander, das wird bei dieser Aufführung des Kleist-Dramas "Die Hermannsschlacht" deutlich - auch wenn die Inszenierung mit einer fein herausgearbeiteten Botschaft durchaus Stärken hat. Von Jubelstürmen aber ist das Publikum beim Auftakt des vielgelobten 58-Jährigen in Wien am Donnerstagabend weit entfernt.

Das Drama "Die Hermannsschlacht", Anfang des 19. Jahrhunderts von Heinrich von Kleist (1777-1811) verfasst, thematisiert die Schlacht im Teutoburger Wald, bei der die von Hermann angeführten Germanen die Römer besiegten. Das Stück bediente zur Entstehungszeit nationalistische Gefühle, von den Nazis wurde es instrumentalisiert. Der Regisseur Claus Peymann präsentierte Hermann in seiner Inszenierung 1982 dagegen als Freiheitskämpfer mit Baskenmütze à la Che Guevara. Bei Kusej ist der Germanenanführer nun ein gewiefter Populist und Lügner.

Kusejs Variante des Stücks ist düster, immer wieder geht das Licht aus im Theater, Paukenschläge dröhnen dann durch den Saal. Es dauert, bis die mehr als drei Stunden lange Vorführung einen Sog entwickelt, doch Hermann wird aggressiver, skrupelloser, mächtiger - und mit ihm wird sein Darsteller Markus Scheumann, der vor allem im ersten Teil zu blass bleibt, besser und überzeugender.

Nach 90 Minuten die Schlüsselszene: Eine Frau wurde von den Römern vergewaltigt, ihr Vater opfert sie. Hermann lässt sie in 15 Stücke zerteilen und an die germanischen Völker verschicken, um sie gegen die Römer aufzubringen. Und dann stehen dort 15 Männer in einer Reihe, in den Händen durchsichtige, scheinbar mit Körperteilen gefüllte Tüten - das ist der drastische und auch absurde Moment, den man von Kusej regelrecht erwartet.

Die folgenden Freiheitsrufe von Hermanns Anhängern klingen dann mehr nach Pegida als nach dem "libertad" südamerikanischer Freiheitskämpfer, an das sich Peymann vor mehr als 30 Jahren erinnerte. Der selbst von jeglicher Moral befreite Hermann macht die Römer im Stück zwischenzeitlich nieder, beschreibt sie wie schlechtere Menschen, verbreitet überzogene Geschichten von Kriegsgräueln über sie. Hier zeigt sich zum einen der Nationalismus, den Kleist ohne Frage in sein Stück geschrieben hat - und zum anderen die Nähe, die Nationalismus und Populismus zueinander pflegen.

Kusej ist seit rund zehn Wochen Chef des Burgtheaters, die Inszenierung der "Hermannsschlacht" gilt aber als der eigentliche, der künstlerische Auftakt des neuen Direktors. Dass der 58-Jährige schon beim Auftakt ein Ausrufezeichen setzen wollen würde, war schon mit der Auswahl des hochpolitischen Kleist-Stücks klar geworden. "Ich stehe für Veränderung, Irritation und Aufregung", sagte Kusej, als er im Sommer 2017 als neuer Direktor in Wien vorgestellt wurde.

Seine "Hermannschlacht" ist nun in erster Linie eine wuchtige, düstere und kraftvolle Angelegenheit. Kusejs Warnung ist aber angesichts der Darstellung Hermanns als Lügner offensichtlich: Völkisch orientierte Politik ist gefährlich. In Zeiten des erstarkten Rechtspopulismus in Europa ist der 58-Jährige nicht der erste Regisseur mit einer solchen Botschaft, aber sie kann auch einfach nicht oft genug erfolgen. Umso schöner, dass Kusejs Hermann zwar mit Worten anstacheln kann, als Feldherr das Schwert aber nicht zu schwingen vermag. Eben alles doch nur heiße Luft.

Die Hermannsschlacht