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Nach Conte-Rücktritt Italien auf dem Weg zu einer "Regierung der Umkehr"?

Zeit für weitere politische Spielchen hat Italien eigentlich nicht. Der Staatspräsident will die Regierungskrise schnellstmöglich beenden. Die totgesagten Sozialdemokraten wittern eine Chance - und stellen Bedingungen.

21.08.2019, 16:02

Rom (dpa) - Nach dem Aus der Populistenallianz in Italien haben sich die Sozialdemokraten (PD) für Verhandlungen über eine alternative Regierung mit der Fünf-Sterne-Bewegung geöffnet.

Die Koalition aus Sternen und rechter Lega von Innenminister Matteo Salvini war endgültig zerbrochen, nachdem Regierungschef Giuseppe Conte seinen Rücktritt eingereicht hatte. Bei Staatspräsident Sergio Mattarella begannen die Beratungen darüber, ob eine neue Regierung gebildet werden könnte.

Die Partei sei bereit zu prüfen, ob es Voraussetzungen für eine "Regierung der Umkehr" gebe, sagte PD-Chef Nicola Zingaretti nach einer Sitzung des Parteivorstands. Das werde man Mattarella in den Konsultationen wissen lassen. Gleichzeitig stellte seine Partei Bedingungen, darunter die "treue Mitgliedschaft" in der Europäischen Union und eine Änderung der Migrationspolitik. Die Sterne zeigten sich bisher sehr europakritisch.

Die Gespräche bei Mattarella sollen am Donnerstag nach Treffen der größeren Parlamentsgruppen abgeschlossen sein. Wann der Staatschef eine Entscheidung fällt, ist unklar. Ein mögliches Szenario am Ende der Unterredungen könnte die Bildung einer neuen Koalition sein. Die bisherige Regierung bleibt zunächst geschäftsführend im Amt.

Salvini hofft dagegen - beflügelt von guten Umfragewerten - auf eine schnelle Neuwahl schon im Oktober. Er hatte die Koalition vor zwei Wochen platzen lassen und will selbst Premierminister werden. "Die anderen reden in diesen Stunden von Posten. Wir über den Haushalt, darüber, wie wir die Steuern senken und den Italienern helfen können", sagte er.

Im Herbst muss der Haushaltsplan für nächstes Jahr stehen, der bis Ende des Jahres vom Parlament verabschiedet werden muss. Dafür braucht es schnell eine handlungsfähige Regierung. Entweder es gebe eine "echte Regierung", oder es müsse eine Neuwahl her, schreibt die Tageszeitung "Corriere della Sera" zur Linie des Präsidenten.

Die Fünf-Sterne-Bewegung hätte zusammen mit den Sozialdemokraten eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Mit einer Einigung könnten sie Salvinis Machtpläne durchkreuzen und den Lega-Chef in die Opposition verbannen. Die Fünf Sterne haben wegen schlechter Umfragewerte kein Interesse an einer schnellen Neuwahl. Auch die Sozialdemokraten kommen nach einer schweren Wahlschlappe im vergangenen Jahr nicht richtig auf die Beine.

"Die Möglichkeit besteht und wird von Tag zu Tag größer", sagte PD-Senatorin Laura Garavini dem SWR. "Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Zusammenarbeit zustande kommt, aber der Versuch ist es auf jeden Fall wert."

Allerdings herrscht innerhalb der Parteien keine Einigkeit über eine solche Zusammenkunft - denn die PD und die Sterne liegen eigentlich im Streit. Vor allem der frühere Partei- und Regierungschef Matteo Renzi gilt den Sternen als rotes Tuch.

Kommt keine neue Koalition zustande, könnte Mattarella die Parlamentskammern auflösen. 60 Tage später könnte eine Neuwahl stattfinden - so viel Zeit ist nötig, um die Abstimmung zu organisieren. Mattarella könnte eine Übergangsregierung aus unabhängigen Kandidaten einsetzen, die zur Wahl führt.

Die Sterne und die Lega waren im Juni 2018 als "Regierung des Wandels" angetreten. Die vergangenen Monate waren von Überwerfungen geprägt. Auch wirtschaftlich geht es nicht bergauf. Italien ist so hoch verschuldet wie kaum ein Land der Welt. Deshalb lag die Regierung in Rom mit der EU-Kommission im Streit. Die Finanzmärkte hatten auf die politische Instabilität in Italien immer wieder nervös reagiert.

Das Ende eines explosiven Experiments

Bündnis geplatzt: Giuseppe Conte (r) neben Matteo Salvini in der Abgeordnetenkammer in Rom. Foto: Gregorio Borgia/AP
Bündnis geplatzt: Giuseppe Conte (r) neben Matteo Salvini in der Abgeordnetenkammer in Rom. Foto: Gregorio Borgia/AP
AP
Giuseppe Conte nach der Ankündigung seines Rücktritts als Regierungschef. Foto: Cecilia Fabiano/LaPresse via ZUMA Press
Giuseppe Conte nach der Ankündigung seines Rücktritts als Regierungschef. Foto: Cecilia Fabiano/LaPresse via ZUMA Press
LaPresse via ZUMA Press