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Kurswechsel in Pjöngjang? Nordkorea verkündet Einstellung von Atom- und Raketentests

Nach jahrelangen Drohgebärden und militärischen Machtdemonstrationen sendet Nordkorea in rascher Folge Entspannungssignale. Jetzt kündigt die kommunistische Führung gar an, es werde vorerst keine Atomversuche mehr geben. Ist das die Wende in dem Konflikt?

21.04.2018, 15:30
Militärparade in Pjöngjang: Nordkorea betrachtet sein Atomprogramm als vollendet. Foto: KCNA/Yonhap
Militärparade in Pjöngjang: Nordkorea betrachtet sein Atomprogramm als vollendet. Foto: KCNA/Yonhap YONHAP/KCNA

Seoul/Pjöngjang (dpa) - Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat völlig überraschend den vorläufigen Stopp seiner Atomversuche und Tests mit Interkontinentalraketen verkündet. Er brachte sich damit für anstehende Gipfeltreffen mit den Präsidenten Südkoreas und der USA in Position. Der Vorstoß wurde international begrüßt, gefordert wurde allerdings ein gänzlicher Verzicht Nordkoreas auf sein Atomprogramm.

Der Streit um das nordkoreanische Atomprogramm gehört seit Jahren zu den gefährlichsten Konflikten der internationalen Politik. Die Spannungen hatten sich 2017 deutlich verschärft, nachdem Nordkorea mehrfach Raketen und eine weitere Atombombe getestet und damit gegen UN-Resolutionen verstoßen hatte.

Kim begründete seinen Vorstoß nach Berichten staatlicher Medien vom Samstag unter anderem mit der Vollendung des nordkoreanischen Atomprogramms. Dieser "große Sieg" mache weitere Tests unnötig. Das Land könne sich jetzt auf den wirtschaftlichen Aufbau konzentrieren, hieß es aus Pjöngjang.

UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem positiven Schritt nach vorne. US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter: "Das sind sehr gute Neuigkeiten für Nordkorea und die Welt." Auch aus Südkorea, China, Russland und der EU kamen positive Reaktionen. Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow schrieb auf Facebook: "Das ist eindeutig die Chance auf eine Deeskalation der Spannungen, die sich noch vor ein, zwei Monaten bis an den Rand eines Atomkriegs aufgeschaukelt hatten."

Nordkorea hatte bereits nach dem Test einer Interkontinentalrakete im vergangenen November erklärt, die Entwicklung zur Atomstreitmacht sei abgeschlossen. Die USA als Erzfeind und Verbündeter Südkoreas befänden sich in Reichweite nordkoreanischer Langstreckenraketen.

Südkorea und die USA sprachen zwar von einem wichtigen Fortschritt im Atomstreit, doch sorgten auffällige Lücken in der Erklärung aus Pjöngjang für Skepsis. So ist in der Ankündigung nicht von einer Aussetzung oder einem gänzlichen Verzicht auf das Atomprogramm die Rede, wie es die internationale Gemeinschaft von Nordkorea fordert. Damit blieb offen, inwiefern die kommunistische Führung bereit ist, auf den Bau weiterer Atomsprengköpfe und Raketen zu verzichten, geschweige denn das bestehende Arsenal abzubauen.

"Wir werden die Atomversuche und Teststarts mit Interkontinentalraketen vom 21. April 2018 an nicht fortsetzen. Das nördliche Atomtestgelände wird demontiert, um transparent die Aussetzung der Atomtests zu garantieren", heißt es in dem Beschluss des Zentralkomitees. Zuvor hatte Kim nach dem Bericht der Nachrichtenagentur KCNA in einer Rede gesagt, dass nicht nur Tests mit Langstreckenraketen sondern auch mit Mittelstreckenraketen jetzt nicht mehr nötig seien. Allerdings tauchen die Mittelstreckenraketen in dem von KCNA zitierten Beschluss nicht mehr auf.

Der japanische Verteidigungsminister Itsunori Onodera kritisierte, dass sich der beschlossene Teststopp nur auf Langstreckenraketen, nicht aber auch auf Kurz- und Mittelstreckenraketen bezieht, in deren Reichweite Japan und andere Nachbarn liegen. Deshalb sei die Erklärung "unbefriedigend" und "unzureichend". Ministerpräsident Shinzo Abe sagte, man werde sehen, ob der Schritt zu einer nachweisbaren und unumkehrbaren Beseitigung des Arsenals an Massenvernichtungswaffen führe. Die Bundesregierung in Berlin verlangte, das komplette Nuklear- und Raketenprogramm müsse in einer verifizierbaren Weise offengelegt werden.

Die nukleare Testanlage Punggye-ri im Nordosten des Landes soll nach KCNA-Angaben komplett geschlossen werden. In der Anlage hatte Nordkorea seit 2006 all seine sechs bisherigen Atomwaffentests unternommen - den bisher letzten und stärksten im September vergangenen Jahres. Auch die Arbeit daran, Atomsprengköpfe auf ballistische Raketen zu montieren, sei erfolgreich gewesen. Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die mit konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden.

Das Zentralkomitee der Arbeiterpartei hatte die Maßnahmen am Freitag in Form einer Sechs-Punkte-Resolution beschlossen. Zudem wurde ein Wechsel des politischen Kurses proklamiert, mit dem sich das abgeschottete und verarmte Land künftig stärker auf die Entwicklung der Wirtschaft konzentrieren wolle. Nicht zuletzt durch internationale Sanktionen liegt Nordkorea mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern wirtschaftlich am Boden. 

Die jüngsten Entspannungssignale passen zum vorsichtigen Annäherungskurs Nordkoreas seit Beginn dieses Jahres. Nach Angaben des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In ist Nordkorea zur kompletten Denuklearisierung bereit. Kim verlange aber ein Ende der "feindseligen Politik" der USA und eine Sicherheitsgarantie.

Moon und Kim wollen kommenden Freitag im Grenzort Panmunjom zum erst dritten gesamtkoreanischen Gipfeltreffen seit Ende des Korea-Kriegs (1950-1953) zusammenkommen. Geplant ist auch ein Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Trump, möglicherweise Anfang Juni. Er freue sich auf den Gipfel, twitterte Trump in der Nacht. Als Gesandter Trumps war der CIA-Chef und designierte US-Außenminister Mike Pompeo bereits kürzlich von Kim zu einem Geheimbesuch in Nordkorea empfangen worden.

KCNA-Bericht

Trump-Tweet

Das nordkoreanische Atomprogramm

Wende im Atompoker: Aber seine Kernwaffen gibt Kim nicht auf

Die Erklärung Nordkoreas zu seinem Atomwaffenprogramm

Kim Jong Un neben einem Sprengkopf: Jetzt will Nordkoreas Staatschef Gespräche statt Raketentests. Foto: KCNA via KNS
Kim Jong Un neben einem Sprengkopf: Jetzt will Nordkoreas Staatschef Gespräche statt Raketentests. Foto: KCNA via KNS
KCNA via KNS
Raketenstart in Nordkorea: Die Mittelstreckenrakete Hwasong-10 steigt auf. Foto: KCNA/Archiv
Raketenstart in Nordkorea: Die Mittelstreckenrakete Hwasong-10 steigt auf. Foto: KCNA/Archiv
KCNA
Die nordkoreanische Atomanlage Yongbyon auf einem Satellitenbild aus dem Jahr 2004. Foto: Digitalglobe
Die nordkoreanische Atomanlage Yongbyon auf einem Satellitenbild aus dem Jahr 2004. Foto: Digitalglobe
DIGITALGLOBE / EPA FILE
Kim Jong Un sieht das Atomprogramm als vollendet an. Foto: KCNA via KNS/AP
Kim Jong Un sieht das Atomprogramm als vollendet an. Foto: KCNA via KNS/AP
KCNA via KNS/AP
Das von «Airbus Defense & Space» und der Internetseite «38 North» am 12.04.2017 veröffentlichte Satellitenfoto zeigt das Atomwaffen-Testgelände in Punggye-ri im gebirgigen Nordosten von Nordkorea. Foto: Pleiades CNES/Airbus DS/38 North/Spot Image
Das von «Airbus Defense & Space» und der Internetseite «38 North» am 12.04.2017 veröffentlichte Satellitenfoto zeigt das Atomwaffen-Testgelände in Punggye-ri im gebirgigen Nordosten von Nordkorea. Foto: Pleiades CNES/Airbus DS/38 North/Spot Image
Pleiades CNES/Airbus DS/38 North/Spot Image/AP
Test des Raketen-Abwehrsystems THAAD: Das System dient der Abwehr von Kurz- und Mittelstreckenraketen und zielt auf die Bedrohung durch Nordkorea. Foto: Ralph Scott/Department Of Defense
Test des Raketen-Abwehrsystems THAAD: Das System dient der Abwehr von Kurz- und Mittelstreckenraketen und zielt auf die Bedrohung durch Nordkorea. Foto: Ralph Scott/Department Of Defense
Department Of Defense/ZUMA Wire
Auf dem Weg nach Nordkorea: Südkoreanische Sondergesandte reisten nach den Olympischen Winterspielen nach Pjöngjang. Foto: Jung Yeon-Je/AFP POOL
Auf dem Weg nach Nordkorea: Südkoreanische Sondergesandte reisten nach den Olympischen Winterspielen nach Pjöngjang. Foto: Jung Yeon-Je/AFP POOL
AFP POOL
Südkoreanische Soldaten in der Nähe der nordkoreanischen Grenze während eines Militärmanövers. Foto: Ahn Young-Joon
Südkoreanische Soldaten in der Nähe der nordkoreanischen Grenze während eines Militärmanövers. Foto: Ahn Young-Joon
AP