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Weil ein Leser einen Teilzeitjob statt einer Kur wollte, wurde ihm das Arbeitslosengeld gestrichen "Arbeitsverbot" trotz Leistungsfähigkeit

Von Gudrun Oelze 28.11.2011, 04:38

Während manche lange auf die Bewilligung einer Kur warten müssen, bekam ein Leser aus Oschersleben eine gegen seinen Willen verordnet. Weil er diese nicht antrat, wurde ihm das Arbeitslosengeld gestrichen.

Vor zwei Jahren erkrankte unser Leser schwer und hatte nach Chemo- und Strahlentherapie im Frühjahr eine Kur in Blankenburg absolviert. Eigentlich fühlte er sich danach fit genug, um wieder arbeiten zu können. Er meldete sich bei der Agentur für Arbeit, wo ihm nach Ablauf des Krankengeldanspruchs auch für fast ein ganzes Jahr Leistungen zustanden - so die amtliche Mitteilung Anfang Juni 2011. Da seine Ärzte optimistisch waren und eine stundenweise Beschäftigung befürworteten, fragte der junge Mann beim früheren Arbeitgeber nach einem Teilzeitjob. Dazu kam es aber nicht: Der Amtsarzt der Arbeitsagentur erteilte ihm sozusagen Arbeitsverbot. Wegen der laut Aktenlage vermeintlich nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit des Lesers wurde sein Fall an die Rentenversicherung abgegeben. Dort zeigte man sich sogleich kulant und spendierte dem 27-Jährigen sofort die nächste Kur.

Zwischen der ersten und einer weiteren sollte aber mindestens ein Jahr vergehen, hatten die Mediziner, die den jungen Mann behandelten, dringend angeraten. Daher bat er also darum, die von ihm gar nicht beantragte Reha zurückzustellen. Die DRV Mitteldeutschland teilte der Arbeitsagentur daraufhin mit, dass er verzichte. Prompt kam es "wegen fehlender Mitwirkung" zur Streichung des ALG-I-Bezugs.

Der Leser meldete sich sofort bei der Arbeitsagentur, "um die Sache zu klären". Diese Behörde habe doch gar keine Befugnis, eine Kur zu beantragen, sagte man ihm dort. Das gehe alles auf das Konto der Rentenstelle. "Die Initiative ging nicht von uns aus", so die DRV Mitteldeutschland, "wir versenden keine Reha-Anträge von Amts wegen." Vielmehr sei der Rentenversicherungsträger von der Arbeitsagentur aufgefordert worden, sich zur Erwerbsminderung des jungen Mannes zu äußern. Denn dort habe man im Rahmen der Anspruchsprüfung auf Arbeitslosengeld festgestellt, dass er kein ausreichendes Leistungsvermögen für eine Beschäftigung von mindestens 15 Stunden in der Woche hat. Daraufhin ermittelte der Ärztliche Dienst der Rentenversicherung einen erneuten Reha-Bedarf - ausgehend vom Gutachten der Agentur für Arbeit, laut dem "eine weitere ärztliche Behandlung und Stabilisierung...dringend indiziert" sei. Und das bedeutet: "Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten ist zumindest gefährdet, wenn nicht, wie die Agentur annahm, sogar gänzlich aufgehoben", so die Rentenversicherung. Ein solcher "Reha-Bedarf" kann nicht zurückgestellt werden, wenn er medizinisch indiziert erscheint.

Inzwischen hatte der Oschersleber gegen die nicht erwünschte neue Kur Widerspruch eingelegt und damit "seine fehlende Mitwirkung" nachgeholt, "so dass die Agentur wieder zahlen müsse", teilte die DRV mit. Das tat diese dann auch - aber nicht rückwirkend. Für die bereits verstrichene "Sperrzeit", in der er keine Leistungen erhalten hatte, forderte nun die Krankenkasse von dem jungen Mann die Beiträge aus seiner eigenen Tasche - die aber leer war. Bis letztlich die Sanktion komplett und rückwirkend aufgehoben wurde, bedurfte es noch etlicher Nachfragen.

Denn erst durch die Zeitung war bei der Arbeitsagentur in diese Sache überhaupt Bewegung gekommen. Man hatte den jungen Mann dann gleich persönlich eingeladen und eine Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Magdeburg veranlasst. Auf einmal war er wieder "vollschichtig leistungsfähig", eine medizinische Reha auch aus Sicht der Amtsärzte in diesem Jahr nun nicht mehr notwendig. Doch eine Nachzahlung für die bereits vergangene Sperrzeit gab es noch immer nicht. Dafür waren noch mehrere Gespräche zwischen beiden Behörden erforderlich. Erst nachdem der Rententräger endlich schriftlich den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als nicht gestellt erklärt hatte, wurde auch die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes angewiesen.