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Kriminalromane Bewährte Formeln und neue Experimente von Andrea Camilleri

Der italienische Bestsellerautor Andrea Camilleri ist vor gut einem Jahr gestorben - doch sein Werk lebt weiter. Jetzt sind in kurzer Folge gleich zwei neue deutsche Übersetzungen seiner packenden Kriminalromane erschienen.

Von Gaby Mahlberg, dpa 28.07.2020, 09:12

Berlin (dpa) - Der Tod von Andrea Camilleri im vergangene Jahr hat die Fans des italienischen Bestsellerautors und seiner exzentrischen Charaktere hart getroffen.

Wehmütig mögen sie nun die beiden neuen Übersetzungen zweier Kriminalromane in die Hand nehmen, die in diesem Jahr posthum erschienen sind: der eine ein moderner Briefroman, der andere eine Wiederbegegnung mit einem alternden, aber nicht weniger scharfsinnigen sizilianischen Polizisten und seinen liebenswürdig-merkwürdigen Kollegen im Kommissariat von Vigàta.

In "Das Bild der Pyramide" gibt eine Leiche auf einer Großbaustelle Commissario Montalbano Rätsel auf: ein junger Mann in Unterwäsche mit einer Kugel im Rücken. Offenbar war er mit dem Fahrrad im Regen vor seinem Angreifer geflohen und liegt nun tot in einem Tunnel im Schlamm. Die Ermittlungen führen den kauzigen sizilianischen Polizisten zunächst zu einem verlassenen Haus und den verwobenen Beziehungen seiner ehemaligen Bewohner. Doch was aussieht wie eine Eifersuchtstat um die schöne blonde Deutsche Inge Schneider entpuppt sich schnell als eine Geschichte von viel größerer Tragweite, in die die gesamte Region involviert zu sein scheint.

Mit dem alten Ägypten hat der Kriminalroman indes wenig zu tun - der aufmerksame Leser wird bald sehen, was es mit der Pyramide im Titel auf sich hat. Vielmehr geht es um die korrupten Machenschaften verschiedener Mafia-Clans in Sizilien - um öffentliche Aufträge und Geldwäscherei, die dem Leser nicht zufällig bekannt erscheinen mögen. Schließlich hat sich Camilleri nach eigener Aussage für die Handlung an "den vielen Verbrechensmeldungen" bedient, "die beinahe täglich verbreitet werden". Nicht nur deshalb scheint sein Roman trotz einiger überraschender Wendungen allzu real.

Real und überraschend ist auch "Kilometer 123" - ein experimenteller Roman ohne Erzähler, der nur aus Dialogen und Dokumenten besteht und sich unter den Augen des Lesers zu einem Puzzle zusammenfügt.

Der bekannte Bauunternehmer Giulio Davoli verunglückt mit dem Auto seiner Frau bei Kilometer 123 der Via Aurelia, Richtung Rom, und kommt schwer verletzt ins Krankenhaus. Offenbar war er von einem zweiten Wagen von der Straße abgedrängt worden. Davoli lebte ein Doppelleben, und der Verdacht des versuchten Mordes fällt schon bald auf seine betrogene Frau wie auch auf seine eifersüchtige Geliebte. Als dann auch seine Geliebte an derselben Stelle derselben Straße tot in einem Auto aufgefunden wird, können die Ermittler keine zufriedenstellende Erklärung finden. Offenbar haben sie eines völlig außer Acht gelassen.

Der Leser ist indes immer im Bilde, liest SMS, E-Mails, Dialoge und Zeitungsberichte der Beteiligten. Nicht immer ist gleich klar, wer was gesagt hat und wer genau was weiß. Doch genau das macht ja den Reiz von Kriminalromanen aus - und am Ende löst sich alles auf.

- Andrea Camilleri: Das Bild der Pyramide, Commissario Montalbano blickt hinter die Fassaden. Lübbe, 272 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-7857-2655-6.

- Andrea Camilleri: Kilometer 123. Kindler/Rowohlt, 144 Seiten, Hardcover 22,00 Euro. ISBN: 978-3-463-00010-7.

© dpa-infocom, dpa:200728-99-949212/2