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Literatur Lena Anderssons Roman über die (ewige) Geliebte

Esters neuer verheirateter Liebhaber ist interessanter als der erste. Aber die Geschichte erzählerisch zu sehr Wiederholung.

Von Thomas Borchert, dpa 24.07.2017, 23:01

München/Stockholm (dpa) - Der Typus ist bekannt: verheirateter Liebhaber fährt zweigleisig und drückt sich um die Entscheidung zwischen zwei Frauen.

Die Geliebte erwartet sehnsüchtig, endlos geduldig und durch eine unfassbar rosarote Brille, dass er am Ende seine Frau verlässt und ganz zu ihr kommen wird.

In Lena Anderssons Roman "Unvollkommene Verbindlichkeiten" bringt es die Protagonistin Ester zu einer gewissen Meisterschaft, auch kleinste Indizien ihrer Liaison mit Olof als Zeichen für einen "Durchbruch" zu deuten.

Mal ruft er sie überraschend an, statt nur die erwartete SMS zu schicken, dann hat er keine Bedenken gegen Sex mit Ester in seinem Ehebett. Wenn das kein Zeichen ist! Und tausend Kilometer lässt man die Geliebte für ein paar Stunden Zweisamkeit wohl auch nur fahren, wenn demnächst das ganze Leben geteilt werden soll.

Als Leser ist man schlauer und auf den 400 Seiten dieser traurigen schwedischen Liebesgeschichte durchweg sicher, dass Ester sich gewaltig täuscht. Andersson, Jahrgang 1970, hat ihre etwa gleichaltrige Hauptperson schon im Romandebüt "Widerrechtliche Inbesitznahme" (2016) durch eine hoffnungslose Beziehung mit einem verheirateten Mann geschickt. Dabei Scharfsinnig und nicht ohne ironische Distanz zur unglücklichen Hauptperson, die in der Liebe ziemlich alles falsch deutet. Da hilft ihr die philosophische Akademikerbildung genauso wenig wie die mikroskopisch detaillierte Analyse aller Anrufe, Kurznachrichten, Worte, Blicke und anderer Äußerungen des geliebten Mannes.

Statt des im Erstling weitgehend desinteressierten und deutlich älteren Großkünstlers wird im zweiten Roman fünf Jahre später der mäßig erfolgreiche Schauspieler Olof Objekt ihres grenzenlosen Begehrens. Die neue Beziehung zieht sich so über Jahre hin und das Buch über die doppelte Länge. Die Grundmuster sind dieselben.

Wer den frischeren Erstling gelesen hat, fühlt sich jetzt in der Hand einer Wiederholungstäterin. Auch wenn Ester sich gegen Ende des Buches aus der Lethargie ihrer obsessiven Hoffnung zu Taten aufrafft, klappt man das Buch in dem Gefühl zu, dass diese Frau wohl immer einsam bleiben wird.

Die Autorin sieht es ganz anders, wie sie im heimischen Fernsehsender SVT erklärt hat: "Es gibt jede Menge Hoffnung für sie. Sie kann lieben, sie ist nicht zynisch oder verhärtet. Die Frage ist, ob es Hoffnung für diesen Mann gibt." Nach vier Jahren mit dem Schreiben von 600 Seiten sei ihr sein Verhalten "nach wie vor völlig unbegreiflich". Ob die Olof-Figur deshalb so komplett uninteressant geraten ist?

Lena Andersson: Unvollkommene Verbindlichkeiten, Luchterhand Verlag, 384 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-630-87524-8

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