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Rüstungsexporte Waffenlieferungen spalten die Koalition

Das Verschwinden des Journalisten Jamal Kashoggi sorgt für internationales Aufsehen. Bei SPD und Opposition wächst deshalb der Unmut.

19.10.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Trotz der Kriegsbeteiligung Saudi-Arabiens und der Menschenrechtslage dort war der ölreiche Wüstenstaat in diesem Jahr bisher der zweitbeste Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Bis zum 30. September erteilte die Bundesregierung Exportgenehmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro für das Königreich, das derzeit wegen des Verschwindens des Journalisten Jamal Khashoggi unter massivem internationalen Druck steht. Nur in das nordafrikanische Algerien wurden mit 741,3 Millionen Euro Rüstungslieferungen in größerem Umfang genehmigt.

Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Grüne und Linke forderten einen sofortigen Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Die Bundesregierung will zunächst einmal die Aufklärung des Falls Khashoggi abwarten. In der SPD wächst aber der Unmut.Die neuen Zahlen sind unter anderem wegen einer Klausel aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD brisant.

Die Sozialdemokraten hatten in den Verhandlungen einen Exportstopp für alle Länder durchgesetzt, die „unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligt sind. Allerdings hatten sie auch Ausnahmen für bereits erteilte Vorgenehmigungen zugelassen. Saudi-Arabien nimmt in dem Krieg eine führende Rolle ein. Ein von dem Königreich geführtes Bündnis von neun Staaten bekämpft seit 2015 die vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen. Der Krieg hat zu einer humanitären Katastrophe geführt, die von den Vereinten Nationen als derzeit schlimmste weltweit eingestuft wird.

Für weitaus größeres internationales Aufsehen sorgt derzeit aber der Fall Khashoggi. Der Journalist war am 2. Oktober in das saudi-arabische Konsulat in Istanbul gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Seitdem ist er verschwunden. Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass Khashoggi im Konsulat von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde. Das saudische Königshaus beteuert aber seine Unschuld. Das Verschwinden Khashoggis hatte die Forderungen nach einem Stopp der Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien bereits in den vergangenen Tagen wieder lauter werden lassen.

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht verschärfte ihre Kritik an der Genehmigungspraxis der schwarz-roten Koalition am Freitag noch einmal. „Die Bundesregierung trägt an den Kriegsverbrechen im Jemen und dem Mord- und Foltersystem Riads durch die massiven Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte ein hohes Maß an Mitverantwortung“, sagte sie der dpa. Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock forderte einen sofortigen Exportstopp.

Unter den für Saudi-Arabien genehmigten Lieferungen sind acht Patrouillenboote, für die noch die alte Bundesregierung Anfang des Jahres grünes Licht gegeben hat. Die neue Regierung hat erst kürzlich die Ausfuhr eines Radarsystems zur Ortung gegnerischer Artillerie erlaubt. Die anderen Exportgenehmigungen sind nicht im Einzelnen bekannt.

Die Bundesregierung will zunächst weiter die Ermittlungen im Fall Khashoggi abwarten. Deutschland wolle wissen, was geschehen sei, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter (CDU) sagte gegenüber Medien: „Sollten sich die Erkenntnisse in dem Fall weiter verdichten, spreche ich mich für eine europäisch abgestimmte Korrektur unserer Saudi-Arabien-Politik aus.“ Denn die Berücksichtigung der Menschenrechtslage „ist in unseren Exportrichtlinien vorgeschrieben – und der einzige wirkliche Hebel, der uns als Europäer bleibt, ist wirtschaftlicher Natur“.

Die jüngsten Ausfuhrgenehmigungen machten deutlich, „dass wir das Thema Rüstungsexporte von Grund auf überdenken müssen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler. Bisher muss die Bundesregierung ihre Rüstungsexportentscheidungen den Abgeordneten nicht begründen. Alle heiklen Fälle werden vom Bundessicherheitsrat behandelt. Alle heiklen Fälle werden vom Bundessicherheitsrat behandelt, dem mehrere Bundesminister angehören.