1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Weder AfD noch SPD mobilisieren Wähler

Bundestagswahl Weder AfD noch SPD mobilisieren Wähler

Welches Thema zieht bei der Bundestagswahl 2017? Politikwissenschaftler Professor Renzsch spricht über die Chancen der Parteien.

Von Jens Schmidt 06.08.2017, 01:01

Herr Professor Renzsch, die AfD hatte bei den Landtagswahlen 2016 enorm viele Nichtwähler mobilisiert. Wird ihr das bei der Bundestagswahl wieder gelingen?

Wolfgang Renzsch: Das hängt davon ab, ob es in den nächsten beiden Monaten eine größere Krise gibt – ähnlich wie die Flüchtlingskrise 2015 und 2016. Das sieht jedoch nicht danach aus. Zwar gibt es Konflikte etwa mit der Türkei oder mit Polen – aber diese Themen passen nicht in das Beuteschema der AfD. Daher bezweifle ich, dass die AfD erneut wieder viele Nichtwähler zur Wahl bewegt.

 

Schwung in den Wahlkampf wollte ja auch die SPD bringen. Kommt ihr Spitzenmann Martin Schulz noch aus der Flaute heraus?

Wenn es eine Wechselstimmung gibt, gehen die Leute zur Wahl. Doch eine Wechselstimmung sehe ich nicht. Martin Schulz hat sein Pulver weitgehend verschossen. Es ist der SPD nicht gelungen, die Anfangseuphorie zu halten.

Ich sehe auch nicht, womit Schulz noch Wähler locken will. Er setzt auf soziale Gerechtigkeit – sicherlich ein Kernthema der SPD. Nur: Damit trifft er derzeit nicht den Nerv der Deutschen. Die meisten finden, dass es ihnen perönlich gut geht. Der SPD fehlen innovative Ideen. Ideen, die über eine Korrektur der Vergangenheit hinausgehen, sondern mit denen man auch Zukunft gestalten kann.

 

Kanzlerin Merkel fiel wegen der Flüchtlingskrise bei vielen ihrer Wähler in Ungnade. Haben die meisten ihr verziehen?

Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Zudem: Merkel hat in einer Krisensituation reagiert. Sicherlich hätte sie das Problem nicht gegen Ungarns Regierungschef Orban, sondern mit ihm gemeinsam lösen sollen. Aber ich glaube nicht, dass eine Mehrheit ihr das jetzt noch nachträgt.

 

Merkel steuert 16 Kanzlerjahre an, wie einst Kohl. Ihn hatten die Deutschen irgenwann satt – sie nicht. Woran liegt es?

Das ist eine gute Frage. Vielleicht liegt es daran, dass die wirtschaftliche Lage Ende der 90er Jahre deutlich schlechter war. Es gab Massenarbeitslosigkeit und vor allem im Osten war die Enttäuschung damals groß. Auch Merkel ist außenpolitisch aktiver; innenpolitische Veränderungen kommen fast alle von der SPD. Aber Angela Merkel ist deutlich zurückhaltender als es Kohl war. Sie ist etwas langweilig, aber solide. Nur keine Experimente – das mögen die Deutschen derzeit besonders.

 

Auch die Grünen locken derzeit keinen hinterm Ofen vor. Nach dem Hoch 2011 geht es mit ihnen stets bergab. Wo liegen die Ursachen?

Die Grünen langweilen die Leute mit immer neuen Verbots-Ideen. Auch personell überzeugen sie nicht sonderlich. Es fehlt ihnen ein Joschka-Fischer-Typ. Außerdem hat die Partei 2013 den riesengroßen Fehler gemacht, das Regierungsangebot von Merkel auszuschlagen. Heute könnten die Grünen von der guten wirtschaftlichen Lage profitieren und sie stünden wesentlich besser da. Unglücklich war auch Marianne Birthlers Absage, als Bundespräsidentin zu kandidieren. Das wäre ein Signal gewesen.

 

Mehr Infos zur Bundestagswahl 2017 finden Sie hier.