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WahlsiegHistorischer Sieg für Johnson

Der Frust hat gesiegt: Die große Mehrheit der Briten schenkt Brexit-Boris das Vertrauen.

13.12.2019, 23:01

London/Brüssel (dpa) l Mit seinem spektakulären Wahlsieg hat der britische Premierminister Boris Johnson bei der Parlamentswahl ein klares Mandat für seinen Brexit-Kurs bekommen. "Wir werden den Brexit bis zum 31. Januar vollenden, kein Wenn, kein Aber und kein Vielleicht", versprach Johnson gestern vor jubelnden Anhängern in London. Ein zweites Brexit-Referendum sei vom Tisch.

Mit Blick auf Abspaltungstendenzen in Schottland sagte Johnson, er werde das Land einen. Doch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon will schon in der nächsten Woche ein neues Unabhängigkeitsreferendum anschieben - bei der Wahl in Schottland räumte die Schottische Nationalpartei (SNP) ab. Die Schotten hätten das Recht, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. "Es ist die Sache des schottischen Parlaments, nicht einer Regierung in Westminster, zu sagen, ob und wann es ein neues Referendum geben sollte."

Johnson holte am Vormittag formell die Erlaubnis zur Bildung einer neuen Regierung ein. Er hatte dafür eine Visite bei der 93 Jahre alten Königin Elizabeth II. im Buckingham-Palast. Das vertrauliche Gespräch dauerte etwas mehr als eine halbe Stunde.

Labour-Chef Jeremy Corbyn zog aus dem schlechten Abschneiden seiner Partei Konsequenzen: Er werde die Partei nicht mehr in einen weiteren Wahlkampf führen, sagte der Parteichef. Nach der Niederlage sei ein Reflexionsprozess für die Partei notwendig, den er als Parteichef begleiten wolle. Als Zeitraum für einen Rücktritt nannte er die ersten Monate des kommenden Jahres. Die Labour-Partei hat im Unterhaus künftig so wenig Abgeordnete wie seit 1935 nicht mehr. Die britischen Sozialdemokraten verloren die vierte Parlamentswahl in Folge.

Nach Auszählung aller Wahlkreise kommt die Konservative Partei auf 365 der 650 Mandate – die Tories haben damit einen Vorsprung von 80 Sitzen vor allen übrigen Parteien. Labour verlor 59 Mandate und kam auf 203. Die Schottische Nationalpartei (SNP) legte 13 Sitze auf 48 zu, die Liberaldemokraten verloren einen Sitz und kommen auf 11. Die anderen Sitze entfielen auf kleinere Parteien.

Nur das Ergebnis aus St. Ives in Cornwall fehlte. Zu dem Wahlkreis gehören Inseln, von denen die Wahlzettel wegen schlechten Wetters zunächst nicht in die Auszählungszentrale gebracht werden konnten. Den Wahlkreis hatte bislang ein Konservativer vertreten.

Johnson wollte über das Brexit-Abkommen noch vor Weihnachten abstimmen lassen. In London wurde erwartet, dass dies Ende kommender Woche sein könnte. Einen offiziellen Termin dafür gab es aber zunächst noch nicht, wie ein Unterhaussprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte. Eine Zustimmung zum Abkommen gilt als sicher.

US-Präsident Donald Trump gratulierte Johnson zu seinem Sieg. Großbritannien und die Vereinigten Staaten würden nun nach dem Brexit frei sein, ein riesiges Handelsabkommen zu schließen, äußerte sich Trump auf Twitter. Kritiker befürchten, dass ein solches Abkommen für Beeinträchtigungen, etwa in der Landwirtschaft, sorgen könnte.

Die Chefin der proeuropäischen Liberaldemokraten, Jo Swinson, verlor in einer für ihre Partei enttäuschenden Wahlnacht ihr Mandat und trat zurück. Die Liberaldemokraten wollten die Wahl mit dem Versprechen gewinnen, den Brexit abzublasen. Ihr Amt übernehmen zunächst ihr Stellvertreter Ed Davey und die Parteipräsidentin Sal Brinton, wie die Partei mitteilte. Die Wahl zum Parteivorsitz fände im kommenden Jahr statt. Swinson hatte ihren Sitz im schottischen Dunbartonshire East an die Kandidatin der SNP verloren.

Dem Brexit-Abkommen zufolge soll Großbritannien bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als denkbar knapp. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende 2020 wieder ein No-Deal-Szenario.

Die Briten hatten 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Nach zähen Verhandlungen konnte Johnsons Vorgängerin Theresa May im November 2018 ein Austrittsabkommen vorlegen. Doch die anschließende Ratifizierung im britischen Parlament scheiterte, weil ihre Regierung keine Mehrheit mehr hatte. Der Brexit wurde mehrmals verschoben, May musste zurücktreten. Johnson verhandelte nach dem Amtsantritt den Deal mit Brüssel nach, bekam aber im heillos zerstrittenen Parlament keine Mehrheit dafür. Meinung

Hier der Kommentar zum Thema.