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Handelspolitik Gezerre um deutsche Exporte in den Iran

Deutsche Firmen wollen den iranischen Markt erobern. Konfliktfrei sind die Geschäfte jedoch nicht.

06.03.2016, 23:01

Magdeburg/Halle l Der Wegfall der Handels-Sanktionen hat bei deutschen Unternehmen einen neuen Wettlauf um Absatz-Chancen im Iran ausgelöst. Allein in der vergangenen Woche wurden gleich mehrere Projekte deutscher Firmen bekannt.

Siemens erneuert seine Partnerschaft mit dem iranischen Konzern Mapna. Beide haben sich auf die Lieferung von zwei Gasturbinen mit Generatoren für ein Kraftwerk am Persischen Golf verständigt. Daimler belebt ebenfalls alte Kontakte, der Stuttgarter Autobauer verhandelt mit Setareh, einer Tochter des staatlichen Autobauers Iran Khodro Diesel, über eine Kooperation. Und der Handelskonzern Metro prüft den Markteintritt mit der Großmarktsparte Cash&Carry.

Nicht weniger interessant ist der iranische Markt für Firmen in Sachsen-Anhalt. Das Magdeburger Ingenieurbüro MWE ist bereits seit Jahren im Land aktiv, plant und baut mit regionalen Partnern Stahl- und Walzwerke. EMB aus Barleben liefert wiederum seit Jahren Schutzgeräte für Transformatoren, die in der Elektroindustrie zum Einsatz kommen. Für eine Reihe weiterer Firmen wie Vakoma, FAM und Oddesse bieten sich nach dem Wegfall der Sanktionen neue Perspektiven.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag geht davon aus, dass sich der Handel mit dem Iran innerhalb weniger Jahre auf zehn Milliarden Euro verfünffachen könnte. Es sei nicht unrealistisch, dass bis zu 80 000 zusätzliche Jobs in Deutschland entstehen.

Die Euphorie wird andernorts allerdings kritisch betrachtet. Israel sieht den Iran noch immer als Erzfeind an und warnt deshalb vor Geschäften. „Wer einmal gelogen hat, der hat seine Glaubwürdigkeit verspielt“, betonte vor kurzem der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman mit Blick auf die langjährige Geheimniskrämerei der Iraner beim Atomprogramm.

Der Ärger in Jerusalem über deutsche Handelsambitionen ist offenbar so groß, dass es jüngst zum Streit zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kam. Laut dem Handelsblatt weigert sich Merkel wegen der israelischen Befindlichkeiten, Irans Präsident Hassan Rohani zum Staatsbesuch nach Deutschland einzuladen. Zum Ärger von Gabriel, der mit seinem Besuch in Teheran zuletzt deutsche Unternehmen bei der Knüpfung von Geschäftskontakten unterstützte. Der Vizekanzler ist wohl auch deshalb alarmiert, weil Länder wie Italien und Frankreich deutlich weniger Rücksicht auf Israel nehmen.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer wiederum sieht in der wachsenden Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ein Problem. Beide Länder würden immer häufiger von potenziellen Handelspartnern verlangen, sich bei ihnen und nicht im anderen Land zu engagieren. Beide Länder kämpfen derzeit um Einfluss im Nahen Osten. Während der Iran Syriens Diktator Baschar al-Assad und die Rebellen im Jemen unterstützt, steht Saudi-Arabien auf der Seite der syrischen Rebellen und der Regierungstruppen im Jemen. Bei Exportgeschäften müssen deutsche Unternehmen daher die Befindlichkeiten deutlich stärker in die Überlegungen mit einbeziehen als früher.

Ökonom Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle warnt grundsätzlich vor überzogenen Export-Erwartungen. „Mit dem Wegfall der Sanktionen ergeben sich im Iran zwar Export-Chancen für deutsche Firmen“, so Holtemöller, „das Land leidet aber wie Saudi-Arabien unter den anhaltend niedrigen Ölpreisen“.

Überhaupt sollten die Exporteure 2016 eher mit verhaltenen Steigerungsraten bei den Ausfuhren rechnen. „Russland und Brasilien befinden sich in einer Rezession, die Wirtschaft in China schwächelt und auch die USA haben sich zuletzt schwächer entwickelt als erwartet“, so Holtemöller. Mitte März werde sein Institut die Prognose fürs deutsche Export-Wachstum deshalb auch senken. „Wir erwarten zwar noch ein Wachstum, dies wird aber voraussichtlich unter den bislang prognostizierten 3,6 Prozent liegen.“

Trotz allem: Chancen gibt es. Deshalb plant auch das Land Sachsen-Anhalt eine Delegationsreise für Firmen in den Iran. Ende Mai soll es nach Teheran, Isfahan und Mashhad gehen.