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Thomas Mann-Hörbuch-Edition mit 17 CDs

07.07.2015, 12:17

Berlin - "Oft genug hatte ich mich selber gelangweilt beim Niederschreiben des Romans." Das bekannte Thomas Mann mit der ihm eigenen Selbstironie und der Noblesse des Literaturnobelpreisträgers über die "Buddenbrooks", die zum Welterfolg werden sollten.

"Altmodisch in Tempo und Dimension" sei der Roman vom "gebildeten Bürgertum" erst zögernd aufgenommen worden.

Freimütig erzählt Mann "aus meinem Leben", festgehalten auf einem Tondokument, wie das zunächst nur auf 250 Seiten geplante Manuskript ihm aus dem Ruder gelaufen sei. Aber das Ansinnen des Verlegers zu Kürzungen, lehnte der Romandebütant energisch ab. "Ich hatte kein Recht, beleidigt zu sein", aber "Kurzweiligkeit hat nichts mit der Länge zu tun."

Zu hören sind diese Erinnerungen auf einer von insgesamt 17 CDs einer großen Hörbuch-Edition mit bisher nur meist verstreuten Reden, Vorträgen und Lesungen aus seinen Werken wie "Tonio Kröger" und "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull". Mann stellt auch seine Lieblingsmusiken vor. Ferner sind seine Ansprachen über den britischen Rundfunksender BBC während des Zweiten Weltkrieges an die "Deutschen Hörer" vertreten. Dazu kommt der Beitrag über "Thomas Mann. Leben und Werk" von Hermann Kurzke (Thomas Mann, die große Originalton-Edition, 17 CDs, Laufzeit über 17 Stunden).

Zwar hat es die meisten Aufnahmen schon in Einzeleditionen gegeben, doch erspart die Box dem Thomas-Mann-Liebhaber nach jeder einzelnen CD im Handel suchen zu müssen. Eine gelungene Hörbuch-Werksausgabe für Kenner und Neugierige, inklusive der eher charmant-nostalgisch wirkenden Tonqualität, die den Augenblick das Authentischen noch verstärkt. Eine Rarität ist dabei Manns Lesung im Familienkreis aus seinem letzten, 1951 erschienenen Roman "Der Erwählte", die seine Tochter Erika mit einem neugekauften Tonband aufgenommen hatte.

In seinen Erinnerungen an die "Buddenbrooks"-Anfangszeit ist bei allem Pathos, das Mann in seinen öffentlichen Reden - weniger inhaltlich denn im Tonfall - oft zu eigen war, noch immer das Ironische über sich und seine Bewunderer spürbar und herauszuhören. Ein Leben lang behielt der Nobelpreisträger seine Anhänglichkeit an den "Ursprung der Kunst, die über sich selbst lacht", exemplarisch im "Hochstapler Felix Krull" und auch "eine tiefe Scheu gegen die Verwürdigung seines Daseins". Letzteres darf man nicht zu ernst nehmen und getrost als gespielte Bescheidenheit des Mannes abhaken, der sich selbst gerne in der Nachfolge Goethes sah.

Aber bei allem "Allotria" und dem Hang zur Spielerei, die dem Künstler laut Mann von Natur aus eigen sei, vergaß der "Großschriftsteller" nicht seine gesellschaftliche Verantwortung, was er vor allem in seiner Haltung zum NS-Regime zeigte, dem er aus dem Exil jahrelang in Reden und Artikeln die Stirn bot. Vor allem in seinen Ansprachen "Deutsche Hörer!" über die BBC, die hier ausführlich aus den Jahren von 1941 bis 1945 dokumentiert sind.

Dabei las er seinen Landsleuten mit ihrem "sträflichen Überlegenheitsrausch" und der "Totschlagslust" der Nazis die Leviten und redete ihnen ins Gewissen: "Kann ein Volk tiefer sinken?" Die Deutschen hätten sich durch eine "Diktatur des Gesindels" einer "moralischen Verwüstung" schuldig gemacht, für die sie eines Tages noch teuer bezahlen müssten. Bei seinen flammenden Appellen verschwieg er allerdings auch nicht seine eigene frühere "konservativ-nationalistische und antidemokratische Stimmungsperiode meines Lebens zur Zeit des 1. Weltkrieges".

Den Faschismus nannte Mann "die widerwärtigste Ausgeburt der Geschichte". Aber "den Kommunisten abzugeben, bin ich sehr schlecht ausgestattet", seien doch seine (Thomas Manns) Werke voll von Lastern, die die Kommunisten anprangerten, "wie Formalismus, Skeptizismus, dekadente Neigungen und was weiß ich nicht alles, den Humor und eine gewisse Schwäche für die Wahrheit nicht zu vergessen".

Überhaupt habe das "politische Moralisieren eines Künstlers etwas Komisches, und die Propagierung humanitärer Ideale bringt ihn fast unweigerlich in die Nähe der Plattitüde. Das habe ich erfahren." Kunst habe auch nie "den blutigsten Unsinn verhindert, sie ist keine Macht, sie ist nur Trost".

Seine Bücher seien "verzweifelt deutsch", meint der Lübecker Senatorensohn und Ehrenbürger. Das Meer, die Ostsee, Travemünde, hätten ihn geprägt, "wo ich die ersten Orchesterwerke gehört und unzweifelhaft die glücklichsten Tage meines Lebens verbracht habe, durch nichts in meinem späteren Leben übertroffen, als ich ein Kind und glücklich war". Das Meer und die Musik seien in ihm eine "seelische Verbindung" eingegangen, "was mehr oder weniger in all meinen Werken anklingt".

Das "politische Moralisieren", wie Mann es nannte, blieb dem Schriftsteller eher fremd, und doch wurde er durch die zweite Katastrophe des Jahrhunderts mit dem Terror der NS-Herrschaft dazu genötigt. Die leidenschaftlichen Appelle an die "Deutschen Hörer!" über BBC zeugen davon, wie auch danach seine öffentlich geäußerten Sorgen über die Ost-West-Konfrontation und den Kalten Krieg.

Gerade in diesen Tagen, in denen vor einem neuen Kalten Krieg gewarnt wird, lesen sich seine damaligen Anmerkungen über Russland und Amerika wieder neu. "Amerika und Russland, diese beiden gutmütigen Riesen, wieviel haben sie doch miteinander gemeinsam, was Hass und Furcht heute gänzlich aus dem Bewusstsein verdrängen wollen...Wanja und Sam oder Jim wollen einander nicht an die Kehle." Aber der Weltbürger Mann machte sich über das "byzantinische Russland" auch keine Illusionen, "wo es bürgerliche Demokratie nie gegeben hat und Despotie gewohnte Lebensluft ist".

Thomas Mann. Die große Originalton-Edition. Der Hörverlag, München. 17 Audio-CDs, Laufzeit 1030 Minuten, 49,99 Euro, ISBN 978-3-8445-1740-8.