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Impuls-Festival zu Gast im Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie Ein musikalisches und mediales Experiment

Von Ulrike Löhr 25.11.2013, 01:18

Magdeburg l Es war ein spektakuläres Simultankonzert - technisch herausfordernd, aber der künstlerische Eindruck im Konzertsaal getrübt.

Das Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie hatte wie üblich im November "Impuls" zu Gast, das renommierte Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt. Diesmal hielt eine Netzwerk-Idee Einzug in den Konzertsaal und stellte hohe technische und künstlerische Anforderungen an die Realisierung der Auftragskomposition "Diese So-Geliebte" des in Berlin lebenden philippinischen Komponisten Jeffrey Ching.

Ching vertonte Rainer Maria Rilkes Texte aus dem Gedicht "Orpheus. Eurydike. Hermes" für zwei Fernorchester ergo mit zwei Dirigenten, acht Schlagzeugern sowie solistischem Mezzosopran und Bariton.

Ein toller Ansatz, anhand der antiken tragischen Liebesgeschichte von Orpheus und Eurydike die Ebenen des Totenreiches und die Welt der Lebenden in die räumliche Trennung der Orchester zu legen und sie durch die simultane Aufführung zugleich wieder zu verbinden. Und so entstand ein experimentelles und sehr spannungsvolles Klangerlebnis: Auf der einen Seite in der Oper Magdeburg mit den Streichern der Magdeburgischen Philharmonie, vier Schlagzeugern und der Mezzosopranistin Andión Fernández unter der Leitung des japanischen Gastdirigenten und derzeitigen Generalmusikdirektors in Lübeck Ryusuke Numajiri. Auf der anderen Seite im 60 Kilometer entfernten Anhaltischen Theater Dessau mit den Bläsern der Anhaltischen Philharmonie, ebenso vier Schlagzeugern und dem Bariton Peter Schöne unter der Leitung des Chefdirigenten Anthony Hermus.

Zwei Solisten und zwei zeitgleich spielende Orchester an zwei verschiedenen Orten - vernetzt durch eine Live-Schaltung wurden sie zu einem Klangkörper. Nur so kam es erst zu dem Gesamtkunstwerk, dem Konzert. Ein künstlerisch spannendes Wagnis.

Textflüsternde Streicherkollegen, Schlagwerker mit Gongs, Gongspielen und Metallophonen der Gamelan-Musik Balis, "verstimmte" Honky-tonk-Pianos und Handtrommeln, Harfen und Fünftonmotive in den Gesangsstimmen sorgten für eine dämonische Exotik. Der Klangnebel verdeckte sicher sinnvoll die Sänger, das Orchester schicksalstragend, dennoch kamen der Solist und die Bläser aus Dessau akustisch nur flach und fern in Magdeburg an. Das kann nicht mit künstlerischer Absicht ob der inhaltlichen und auch psychologischen Ferne der Protagonisten abgetan werden. Wer interessiert war, merkte dies spätestens beim Nachhören der Rundfunk-Live-Übertragung im Internet, die akustisch natürlich ausgewogener war. Ein Wermutstropfen der sonst spannenden Uraufführung.

Danach gingen die Konzertabende in Dessau und Magdeburg mit unterschiedlichen Programmen weiter. Nicht weniger spektakulär erklang anlässlich seines 50. Todestages Francis Poulencs Konzert d-Moll für zwei Klaviere und Orchester. Die hervorragenden am Magdeburger Theater engagierten Pianisten Anna Grinberg und Jovan Mitic boten dies ganz im Sinne der Salon-Musik der 1930er Jahre, die Poulenc seinerzeit umgab und modernisierte. Die kommunikative Verspieltheit von Pianisten und Orchester in Form etwa von rasanten Stummfilmabenteuern, einer sinnlichen Mozart-Referenz oder einem Gershwin-Jazz-Duett war sehr anregend.

Diese rhythmische Energie erinnerte nicht von ungefähr an Igor Strawinsky. Von dessen Ballett "Le Sacre du Printemps" war der erst 15-jährige Poulenc bereits sehr begeistert. 100 Jahre nach ihrer Uraufführung ist Strawinskys Ballettmusik inzwischen ein echter Klassiker neuer Musik, der als dritter Höhepunkt des Konzertes erklang.

Diese Heftigkeit erschüttert noch heute - und begeistert! Nicht nur ob des riesigen Orchesterapparates, sondern auch der Möglichkeiten für imposante Akkord- und Motivfolgen und archaisch hämmernder Rhythmik. Welch vielfarbiger, spannungsgeladener Konzertabend war das!