Theater marameo spielt in Magdeburg vor malerischer Kulisse "Der Drachen" Eine bitterböse Satire voller Traurigkeit
Der Himmel hatte für die Premiere des Sommertheaters marameo in der Kulisse des Kavaliers Scharnhorst an der Magdeburger Sternbrücke ein Einsehen: Pünktlich zum Beginn des Stücks "Der Drachen" von Jewgeni Schwarz hörte es am Mittwochabend auf zu regnen.
Magdeburg l Die Premierengäste ließen sich von den Witterungsunbilden nicht abschrecken, einem Theaterabend herzlichen Beifall zu zollen, der trotz einiger technischer Schwierigkeiten vor allem von der Spielfreude der Akteure, dem Charme des Unvollkommenen und nicht zuletzt von der malerischen Kulisse des Kavaliers Scharnhorst an der Magdeburger Sternbrücke lebte.
Unterstellt man für die kommenden Vorstellungen auch noch angenehme Sommernächte, dann dürfte der besondere Reiz des gut zweistündigen Spiels seine Wirkung nicht verfehlen.
"Der Drachen" von Jewgeni Schwarz wird als Märchenkomödie bezeichnet, aber diese Einordnung trifft es eigentlich nicht. Der Stoff ist wesentlich vielschichtiger, komplexer und bewegt sich beständig zwischen bitterböser Satire und tiefer, fast depressiver Traurigkeit.
Schwarz nutzt einen märchenhaften Rahmen und lässt Tiere sprechen, aber nur, um ganz im Stile Lessings die realen menschlichen Verhältnisse in ihrer Absurdität und gesellschaftlichen Verlogenheit zu offenbaren. Das Theaterstück entstand 1943 in Dushanbe, nachdem Schwarz die Okkupation seiner Heimat durch die Deutschen erlebt hatte. Die Gleichschaltung der Menschen im Denken und Handeln durch den Faschismus hat ihn dabei ebenso bewegt, wie die kritiklose Anbetung der Diktatur im Stalinismus. All das steckt in dem Stück, sehr deutlich in der Sprache, kaum durch die Allegorien versteckt.
Ein Drache holt sich seit 400 Jahren regelmäßig eine Jungfrau aus einer kleinen Stadt. Die Ungeheuerlichkeit verklärt sich zu einer freudigen Opferbereitschaft, ja zur Dankbarkeit gegenüber dem Monster, denn "die Stadt, die einen Drachen hat, braucht einen anderen, vielleicht noch schlimmeren, nicht zu fürchten".
Dann kommt Lanzelot, stellt sich dem Ungeheuer zum Kampf, reißt die Bürger der Stadt aus ihrer stumpfsinnigen Rechtfertigung jeden Unrechts.
Er besiegt den Drachen, überlebt nur knapp, wird von den Tieren gerettet, um nach einjähriger Genesung zu erleben, dass nun neue Monster in Gestalt des Bürgermeisters und seines Sohnes das gleiche Regime übernommen haben. Lanzelot muss wiederum eingreifen.
Julian Birkner, Cyrus David, Kurt Eichmann, Sandra Käpernick, Jan Käpernick, Botho Karger und Cyrus Rahbar spielen unter der Regie von Andreas Lüder mit großem Einsatz an Stimme und Körperlichkeit.
Trotzdem bleibt über Längen die innere Dramatik auf der Strecke, die eben nicht in dem alles entscheidenden Kampf zwischen dem Drachen und Lanzelot steckt, sondern im charakter- und würdelosen Wettlauf um Anpassung an Herrschaftsstrukturen. Die Inszenierung in einem Sommertheater vor Naturkulisse lebt natürlich von der Aktion, die innere menschliche Dramatik kommt da stellenweise zu kurz, selbst wenn die vor dem Drachen gerettete Jungfrau in einem schreienden Appell an das Publikum aufruft, sich zu widersetzen.
Die Inszenierung des theaters marameo ist dennoch ein wichtiges Experiment, denn es regt zum Diskutieren, zum Nachdenken und zum Handeln an. Es wühlt auf und hält uns allen einen Spiegel vor das Gesicht, in den man unbedingt einmal reinschauen sollte.
Die nächsten Abendvorstellungen sind am 22., 23., 29. und 30. Juni sowie am 11., 12., 13.,14., 18., 19., 20. und 21. Juli. Beginn ist jeweils 20.30 Uhr.