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"Bördefaust II" hatte Premiere in der Magdeburger Feuerwache In einer wunderbaren Komödie braucht der Teufel einen Laptop

Von Liane Bornholdt 05.08.2010, 05:41

Die Compagnie Magdeburg 09, eine freie Theatergruppe mit Bernd Kurt Goetz als Autor und Spieler, Gisela Begrich als Regisseurin, Christoph Deckbar als Komponist und Musiker, Christina Biedermann als Bühnen- und Kostümbildnerin und weiteren sechs Mitspielern, setzt nach dem Bördefaust I vor 15 Jahren ihre Goetheadaptation mit "Bördefaust II" fort. Am Dienstag war Premiere in der Magdeburger Feuerwache.

Magdeburg. Es beginnt so wie es endete – vor 15 Jahren im Hof der Galerie Süd, damals an der Halberstädter Straße. Der Bördefaust endet tragisch, natürlich, aber die Klage ob der Gestorbenen wird schon bald vom Chor unterbrochen.

"Wir konnten sterben wie die Hofschauspieler, aber nein, wir sind noch lange nicht tot!" Das Spiel geht weiter, und die Schauspieler – das sind in diesem Jahr Bernd Kurt Goetz als Faust und Otto der Große, Agnes Burger in allen Frauenrollen, vor allem Gretchens Geist, Editha und die schöne Helena, Jens-Uwe Richter als Mephisto sowie Randolph Herbst, Ekkehard Schwarz und Uwe Zischkale in allen anderen Rollen und schließlich am Ende als Frau mit Kind Katja Tessnow – werden beweisen, wie lebendig sie sind.

Der Bördefaust wird wie sein klassisches Vorbild im zweiten Teil des Stückes dank Mephistos Zauberstückchen die Weltgeschichte durcheilen und die Gegenwart wird ihn auch ereilen.

Gelegenheit für den Autor, ausführlich mit Goethes Text zu spielen. "Ich will", sagt Faust, "die Welt vor dem Werteverfall retten." Mephisto ereilt ein Lachkrampf, und es muss ein neuer Vertrag geschlossen werden. Blut aber taugt nicht mehr, es kann verdorben sein durch Drogen. Der Vertrag muss auf Laptop und Papier geschlossen werden, und Faust trägt alsbald einen riesigen Vertragsstapel mit sich, Tausende Seiten mit Kleingedrucktem.

Faust verteilt getarnte Wahrheitspillen

Zur Werterettung bringt Mephisto den Bördefaust zu den Regierenden, die sich leicht durch Pillen bestechen lassen, welche das ewige Leben versprechen, die aber eigentlich Wahrheitspillen sind. Die Herren wollen sich mit historischen Gestalten messen, an Luther beispielsweise, der sie aber wegen ihrer tiefen Gottlosigkeit körperlich züchtigt.

Sie beschwören den Großen Otto, der, irritiert durch die Abwesenheit eines kaiserlichen Nachfolgers, Magdeburg in Ottostadt umbenennt. Schließlich erscheint Editha, die aber vor den männlichen Nachstellungen flüchtet.

Alle Verwandlungen sind auch musikalisch zu verfolgen, denn Christoph Deckbar hat zahlreiche schöne Lieder komponiert, und der Chor der Mimen ist auch ein musikalischer Chor, mit dem der Streifzug durch die Geschichte und die Ankunft im Heute ihren Rhythmus bekommen. Überdies gibt es Ruhepunkte, in denen die Frechheiten der Episoden, auch nach Goetzscher Manier einige deftige Frivolitäten, in Anspielungen und Ulk verpackte Tiefsinnigkeiten verdaut und nachgesonnen werden können.

Alle Mitspieler lassen sich auf die Expressivität des Spiels ein, besonders gut Mephisto – Jens-Uwe Richter und Editha/Helena – Agnes Burger. Editha entkommt den geilen Kerlen und wünscht sich einmal eine Hauptrolle im Theater. Die wird ihr für 2012 versprochen. Zuvor aber wünscht Bördefaust Helena Glück. Er sucht bei der Telefonauskunft und gerät in eine Sprachsystemschleife. "Wenn sie die Welt retten wollen, sagen Sie "retten" und drücken Sie die 1" … "Wenn Sie eine Frau suchen, sagen Sie "Frau" und drücken Sie die 6"… All dies ist wunderbar gespielte und echte Komödie.

Es verwundert nicht, dass der Homunkulus auftritt (Randolph Herbst köstlich in dieser Rolle), der sich als Interneti vorstellt und in den Cyberspace entschwindet.

Hinreißende Parodie über Internet-Wirren

Auch Helena, endlich in Echtzeit erschienen, wird alsbald dorthin verjagt und hinter dem glitzernd-durchscheinenden Vorhang wird das ganze Chaos sichtbar. Pornoseiten wechseln mit Ballerspielen, verwirrte Suchende werden von Blinden bedient und Uwe Zischkale sucht nach dem Nagel für den Dombau im "Heuhaufen".

Hier ist diesem "Bördefaust II" eine wahrlich hinreißende Parodie gelungen, die einfach jeder, der sich schon mal in den Tiefen des Internets verirrt hat, sofort wiedererkennen musste.

Einzig wirklich ist das Kind, mit dem Katja Tessnow vor dem Netzvorhang erscheint. Ein hoffnungsfroher Ausgang der Tragödie II. Teil.

Der Bördefaust II wird bis zum 28. August dienstags bis samstags immer um 20 Uhr in der Magdeburger Feuerwache gespielt.