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Von Heinz Kurtzbach Männer und ihre Tage

11.11.2010, 04:14

Irgendetwas störte bei Horst im Sportlereck, und man kam tagelang nicht drauf, was es war. Man wusste nur: Horst war es nicht. Also: was war es?

Man merkte es erst, als die Rose hinter dem Tresen zu welken begann. "Sach mal", fragte Uwe, " wo haste denn die Rose her? Is übrigens verblüht." Horst lächelte still in sich hinein. "Von Lilo", sagte er. Von Lilo? Eine Rose? "Wat hast’n Jutes jemacht" "Nischt", sagte Horst. "Die war zum Männertag."

"Vatertag", warf einer ein. Aber der ist ja nun schon eine Weile her, das konnte nicht sein, und Horst korrigierte sofort. "Nicht Vatertag. Welt-Männertag. Am 3. November." Au weia. Sollte die Gerechtigkeit Einzug gehalten haben in die schnöde Welt und man hat es glatt verpasst? Zum Frauentag, das weiß man, gibt es Jahr für Jahr Blumen, pro Dame im Büro eine rote Rose oder – früher, als roten Rosen noch der Hauch von kapitalistischer Dekadenz anhaftete – eine rote Nelke.

Wir, die Männer, servierten Frühstück ans Bett, brachten den Müll freiwillig runter, passten auf die Kinder auf und waren auch überaus nett, wenn die Dame leicht angesäuselt von der Party mit dem Kollektiv zu Haus eintrudelte. Einmal im Jahr … Na ja.

Aber dann: der Vatertag! Kremser, Bier und gute Laune! Kampfsaufen und Lieder schmettern, aber abends zu Hause gab es nicht etwa rote Nelken, sondern was mit dem Nudelholz. Die Welt war ungerecht, was prächtig an diesem Tag zu beweisen war, und sie ist es heute noch. Jedenfalls: Vatertag, den kennt man. Aber Männertag?

"Was ist denn nun der Männertag?", wollte man von Horst wissen. "Männertag", sagte Horst und entfernte die welke Rose, "ist jedenfalls kein Macho-Tag." Außerdem, fügte er hinzu, ist er international, von Wiener Andrologen und von Gorbatschow um die Jahrtausendwende ins Leben gerufen und mit einem ernsten Hintergrund. Na klar, wenn Gorbi seine Hände im Spiel hat, wird es immer ernst. Weiß man ja.

Am Männertag sollen die Männer über ihre Probleme mal nachdenken, über die Gesundheit vor allem und darüber, wie der Mann sich fühlt, wenn er seine Tage hat. Die Idee ist ja ganz gut. Aber wie das so ist mit guten Ideen: Manches Mal erleiden sie ein schreckliches Schicksal, zum Beispiel das der Nichtbeachtung. Stell Dir vor, es ist Männertag und keinen schert’s.

Aber dieses Problem teilt der Männertag schließlich mit vielen Gedenktagen. Es ist ein großes Gedränge im Kalender: Kein Tag ohne Gedenken an irgendwas, an die Kinder, die Apotheker, die Wirbeltiere, die Amphibien, die Meeressäuger und was da so alles kreucht und fleucht, und allein 60 Gedenktage, immerhin also jeder sechste Tag des Jahres, hat den Segen der UNO.

Darüber will man ja nun gar nicht maulen. Ist ja alles gut gemeint. Aber was will man wirklich anfangen mit dem Nichtrauchertag am 31. Mai? Nicht rauchen? Nur am 31. Mai? Und was ist mit den Steuereinnahmen? Denkt niemand an Schäuble?

Was ist mit dem Weltbiertag am 23. April? Bier trinken wir sowieso, auch ohne Gedenken, bei Horst. Oder mit dem "Weltlinkshändertag" oder dem "Tag der Blockflöte" am 10. Januar. Moment mal: "Tag der Blockflöte"? Wie ist das denn nun gemeint – musikalisch oder politisch? Also: Politik gehört nicht an die Theke. Nicht mal bei Horst. Und nicht mal am Weltmännertag. Das ist ein Gebot der Vernunft. Gibt es eigentlich einen Welttag der Vernunft? Wenn ja, ist es wahrscheinlich der 30. Februar.