1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Lars Eidinger über Ruhm, Tod und Eskalation

Lars Eidinger über Ruhm, Tod und Eskalation

Er kann Psychopathen, brave Familienväter und klassische Helden - Lars Eidinger ist derzeit einer der angesagtesten deutschen Schauspieler. In Familienfest spielt er einen Todkranken, der mit seinem tyrannischen Vater Frieden schließen will.

Von Interview: Britta Schmeis, dpa 12.10.2015, 10:00

Berlin (dpa) - Alle scheinen Lars Eidinger zu lieben, die Zuschauer, die Kritiker, die Regisseure - egal ob im Kino, im Fernsehen oder auf der Theaterbühne. Sie sind voll des Lobes für den 39-jährigen Schauspieler.

Seit 1999 ist er Ensemble-Mitglied an der Berliner Schaubühne, wo er zurzeit unter anderem als Hamlet und Richard III. auf der Bühne steht. Er war in unzähligen Fernsehfilmen zu sehen - und zuletzt im Kinofilm Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern.

Am 15. Oktober kommt Lars Kraumes Drama Familienfest in die Kinos. Darin spielt Eidinger den todkranken Sohn Max. Mit der Nachrichtenagentur dpa sprach Eidinger über Ruhm, Tod und den Mut zur Eskalation.

Frage: Lars Eidinger, wie ist es, von allen gemocht, bejubelt und gelobt zu werden?

Antwort: Auf der einen Seite kann ich das genießen, weil ich es natürlich in gewisser Weise darauf abgesehen habe. Auf der anderen Seite bleibt der Ruhm seltsam abstrakt und nicht greifbar. Deswegen ist diese Form der Bestätigung letztendlich auch nicht wirklich befriedigend. Vor allem muss man aufpassen, dass man nicht zu seinem eigenen Klischee verkommt, indem man versucht, dem Image, das von außen an einen herangetragen wird, zu entsprechen.

Frage: In Familienfest spielen Sie einen Sohn, der sich von seinem tyrannischen, emotional gnadenlosen und erfolgreichen Vater nicht geliebt fühlt. Wie haben Sie sich dieser Rolle genähert?

Antwort: Ich glaube, es ist die große Qualität des Films, dass jeder mindestens eine kleine Facette dieser extremen Konflikte aus der eigenen Familie kennt. Jedes Kind will von seinen Eltern geliebt werden. Als ich als Max in meiner Geburtstagsansprache eine Fabel auf meinen Filmvater erzähle, erkennt sich dieser nicht selbst darin, sondern wiederum seinen Vater. Offenbar scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Auch der Filmvater fühlte sich von seinem eigenen Vater anscheinend ungeliebt.

Frage: Max, Ihre Filmfigur, fühlt sich nicht nur wie seine Brüder von dem Vater missachtet, er ist auch todkrank, was er seiner Familie verschweigt. Überhaupt trifft er sehr ungewöhnliche Entscheidungen.

Antwort: Ich denke, dass das genau das Thema des Films ist, und zwar wie geht man damit um, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange zu leben hat? Mir scheint, es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass man seine Krankheit verschweigt, weil man nicht darauf reduziert und nur noch mit Mitleid behandelt werden will. Es ist ein Ausnahmezustand. Vielleicht hat man dann auch eine geringere Hemmschwelle, Dinge auszusprechen und eskalieren zu lassen. Also versucht Max, seinem Vater bei dieser letzten Gelegenheit noch einmal offen und ehrlich gegenüberzutreten.

Frage: Und er fragt eine Krankenschwester, die ihn nach einem Unfall unmittelbar vor dem Familienfest behandelt, ob sie ihn als seine Freundin begleitet.

Antwort: Ja, Max hat nichts mehr zu verlieren, also fragt er sie einfach, auch weil er weiß, dass, wenn er es jetzt nicht macht, er nie wieder die Chance dazu haben wird. Das macht auch den Charme dieser Szene aus. Verrückt ist doch eigentlich, dass Jenny, die Krankenschwester, wenn auch zögerlich, tatsächlich mitgeht.

Frage: Zwischen den beiden entsteht in der kurzen Zeit tatsächlich eine zarte und doch sehr intime Vertrautheit, was den Film zum Schluss noch trauriger macht.

Antwort: Jeder hat Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren. Und jeder muss sich damit früher oder später auseinandersetzen. Also findet auch jeder Zuschauer seinen eigenen Zugang zu dem Film. Die Schwierigkeit bestand für mich vor allem darin, in der Darstellung nicht in Selbstmitleid zu verfallen, sondern die Betroffenheit beim Zuschauer zu provozieren. Ich glaube, das ist es, was den Film letztendlich so traurig macht.

ZUR PERSON: Lars Eidinger wurde 1976 in Berlin geboren. Nach seiner Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin kam er 1999 als festes Ensemble-Mitglied an die Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin. Einige Jahre später war er immer häufiger auch in Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen, darunter Tatort- und Polizeiruf 110-Folgen. Der Durchbruch gelang ihm 2007 mit dem Kinofilm Alle anderen von Maren Ade, für den er 2009 bei der Berlinale den Silbernen Bären erhielt. 2014 wurde er für seine Rolle in dem Fernsehfilm Grenzgang mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. In Kürze steht er für eine BBC-Serie vor der Kamera. Eidinger lebt mit seiner Frau, der Opernsängerin Ulrike Eidinger, und seiner kleinen Tochter in Berlin.