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Puppentheater Vom Duft der Blumen

Florian Kräuter legt mit "Licht aus. Licht an: Ein Stier" am Puppentheater Magdeburg ein Stück für die Allerkleinsten vor.

Von Kathrin Singer 25.02.2018, 23:01

Magdeburg l Das nur wenige Monate nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges erschienene Kinderbuch des US-amerikanischen Autors Munro Leaf galt schnell als Inbegriff pazifistischer Literatur und wurde als Propagandafabel abgetan. Dabei wollte Leaf nach eigenen Aussagen eher einen charakterstarken Helden, eine erhabene Seele, einen Philosophen zeigen.

Ferdinand, ein junger, kräftiger Stier, liebt den Duft der Blumen. Während die anderen Stiere sich Ruhm und Ehre im Stierkampf versprechen und eifrig trainieren, sitzt er lieber unter der Korkeiche, genießt die Natur und ersinnt Gedichte. Als er sich allerdings aus Versehen fast auf seinen Freund, Hornisse Cesar, setzen will, sticht dieser zu, und Ferdinand gebärdet sich vor Schmerz wie der wildeste Stier Spaniens. Durchreisende Stierkampf-Scouts werden auf ihn aufmerksam, und nehmen das friedfertige Kraftpaket mit – direkt in die Stierkampfarena nach Madrid!

Florian Kräuter versieht die knappe Handlung mit einer zweiten Ebene und lässt zwei Theaterprinzipale gegeneinander antreten, die Geschichte zu erzählen. Lennart Morgenstern ist Theaterdirektor Kinz, der sich mit virtuosem Gitarrenspiel und temperamentvoller Schauspielkunst die Gunst des Publikums sichern will. Madame Baarld (Claudia Luise Bose) dagegen setzt auf Technik und verblüffende Effekte, um die Zuschauer zu gewinnen. Beide ziehen jeweils einen Vertrag aus der Tasche, der sie verpflichtet, an diesem Abend mit der Geschichte „Ferdinand, der Stier“ aufzutreten. Nachdem sie zum großen Vergnügen der Kinder versuchen, sich gegenseitig die Bühne streitig zu machen, stellen sie doch sehr schnell fest, dass die Geschichte am besten gemeinsam zu erzählen sei.

Dazu nutzen Florian Kräuter und sein Ausstatter Christian Sasse die Form des Schattentheaters, die mit Ausnahme der farbigen Blumen an die Schwarz-Weiß-Zeichnungen des Kinderbuchs erinnert. So lassen nicht nur die Schattenrisse kleiner und große Stiere in Form von Figuren und der Darsteller in Lebensgröße, sondern auch filigran auf Folie gezeichnete Szenen und über Overheadprojektor produzierte Bilder zuerst die Idylle der Weide und später das pulsierende Leben der Großstadt und das Gewimmel in der großen Stierkampfarena lebendig werden.

Besonders schön: Ab und zu werden die Schattenrisse offen produziert, das heißt, die Kinder sehen, wie Effekte zustande kommen und wie Theater letztlich funktioniert. Aber es bleiben auch Geheimnisse, über die nach Vorstellungsende trefflich gerätselt werden kann.

Andres Böhmer, der bereits dem Puppentheater-Erfolgsstück „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ die Musik schrieb, steuerte feurig-spanische Rhythmen bei, von Morgenstern meisterhaft auf der Gitarre gespielt.

Claudia Luise Bose und Lenn­art Morgenstern wechseln auf gewohnt virtuose Weise die Erzählebenen, schlüpfen blitzschnell in verschiedene Rollen und bauen nebenbei noch die Bühne um. Das führt zuweilen zu Aktionismus der eigentlich in ruhigen Bildern erzählten Geschichte, beispielsweise während der langen Verwandlung der Bühne in die Großstadt Madrid.

Doch es gibt auch wunderbar poetische Szenen, bei denen die Zeit stillsteht. Wenn Claudia Luise Bose als Kampfstier Ferdinand in der eben noch brodelnden Stierkampfarena bunte Lichtreflexe an die Leinwand wirft, die den Duft der Blumen fast wahrnehmbar machen, kommt die Geschichte der Intention des Originals, seine Träume zu leben, am nächsten.