Premiere für "Die Physiker" im Theater der Altmark Wie weit darf ein Genie denken?
Stendal. "Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden", sagt Physiker Johann Wilhelm Möbius. Doch das, was seinem genialen Gehirn entsprungen ist, kann zumindest versteckt werden. Und das tut Möbius. Seit 15 Jahren versteckt er sich und seine "Weltformel" in einer Irrenanstalt, denn diese Formel darf auf keinen Fall in die falschen Hände geraten.
Also spielt er den Verrückten und behauptet, dass ihm König Salomo erscheine. Anstaltsleiterin Doktor von Zahnd trennt ihre Patienten nach Berufsgruppen, weshalb Möbius mit zwei weiteren Physikern untergebracht ist. Einer von ihnen behauptet, Sir Isaac Newton zu sein, der andere Professor Albert Einstein.
An diesem Punkt verlässt Regisseurin Corinna Sommerhäuser den gewohnten Pfad, den man aus Friedrich Dürrenmatts Komödie kennt. Denn was im Original wirklich drei eigenständige Physiker sind, ist in der Stendaler Inszenierung nur einer. Die drei Physiker sind die drei "Ichs" von Möbius, Sinnbild seines inneren Konflikts, seiner Zerrissenheit.
Es ist nicht klar, ob hier das Publikum ohne Blick ins Programmheft wirklich folgen kann. Doch auch wenn nicht: Das tut dieser Inszenierung keinen Abbruch. Mit André Vetters (Möbius), Mathias Kusche (Newton) und Bernd Marquardt (Einstein) steht ein absolut sehenswertes Trio geniale und infernale auf der Bühne. Nicht minder überzeugend auch die anderen drei Schauspieler: Sören Ergang und Claudia Tost (jeweils in Doppelrollen) und nicht zuletzt Angelika Hofstetter als schrille Anstaltsleiterin.
Der Hintergrund dieses Stücks ist ein ernster: Wie weit darf ein Forscher gehen? Inwieweit trägt er Verantwortung für seine Entdeckungen? Ist die Wissenschaft wirklich frei oder vielmehr von Interessengemeinschaften diverser Art manipuliert?
Angesichts von Macht- und Geltungsbedürfnis, wie integer ist das Forscherherz? Verpackt werden diese Fragen in ein äußerst amüsantes, wenn nicht schon grotesk-komisches Kostüm. Sommerhäuser hat den Humor Dürrenmatts bestehen lassen und dem Publikum rund 75 Minuten beste Unterhaltung beschert.
Toll auch das Bühnenbild und die Ausstattung von Sofia Mazzoni. Große Styroporquader bilden die Mauern des selbst gewählten Gefängnisses. Manchmal etwas geöffnet, am Ende jedoch eine hermetisch abgeschlossene Zelle. Bei Bedarf wird die Außenwand zur Leinwand.
Eine gelungene Aufführung, die bei der Premiere am Mittwochabend auch entsprechend viel Applaus einheimste.