1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Marabu beäugt Geierwally

Zoo MagdeburgMarabu beäugt Geierwally

Der Magdeburger Zoo wird zur Theaterbühne. „Hennys erotisches Tierleben“ ist ein Novum für alle Beteiligten.

Von Grit Warnat 08.09.2017, 01:01

Magdeburg l Der Marabu schaut etwas verduzt, doch aber mit Neugierde, was Ines Lacroix da mit dem merkwürdigen Vogelgetier auf ihrem Arm treibt. Die Schauspielerin steht mit Rock, Kopftuch und liebevoll gearbeiteter Handpuppe im gerade erst eröffneten Zoo-Gehege der Geier und Marabus. Was da kleidungstechnisch etwas altbacken aussieht, gehört zum Stück. Ines Lacroix ist die Geierwally. Sie verkörpert wie einst Henny Porten im legendären Film von 1921 die junge Frau, die in der Steilwand ein Nest aushob.

Henny Porten war ein Star des Stummfilms. Sie wurde 1890 in Magdeburg geboren. Geierwally und Porten waren ein erster Ansatz für Schriftstellerin Annett Gröschner zu ihren Überlegungen für ein theatrales Stück im Zoo. Sie lässt Henny dort mit deren Zwillingsschwester unterwegs sein. Beide spielen ganz verschiedene Frauenfiguren, erzählen vom erotischen Tierleben zwischen brünstigen Elefanten und schwulen Flamingos.

Die Idee zum Theater im Zoo kam vom dortigen Chef. Perret hat schon oft in Vorträgen über das Sexualleben der Tiere gesprochen. Aus rein zoologisch-biologischer Sicht, wie er sagt. Und natürlich haben Zuhörer immer wieder Parallelen entdeckt zur menschlichen Welt. Warum das Ganze also nicht weiterführen und mit Kunst die Brücke schlagen zwischen Mensch und Tier? „So mancher wird überrascht sein, was er alles Neues erfährt“, ist sich Perret sicher.

Ines Lacroix und Nadja Gröschner spielen. Rosmarie Vogtenhuber, deren Inszenierungen vor allem Besuchern des Nordharzer Städtebundtheaters bekannt sind, führt Regie. Annett Gröschner, die gebürtige Magdeburgerin, die seit Jahrzehnten in Berlin schriftstellerisch arbeitet, schrieb den Text. Emil Roijer stellt Musik wie beispielsweise der Komponisten Gluck und Monteverdi zusammen.

Dieser Tage – die Premiere am 14. September rückt näher – ist dieses Team immer wieder im Zoo anzutreffen. Ungewohntes Terrain für alle Beteiligten. Gerade das aber sei spannend, meinen sie unisono. Sie lernen erstmals das Zooleben am späten Abend kennen, wenn die Besucher keinen Zutritt mehr haben und menschliche Laute ausgesperrt sind. Die Tiere seien neugierig, sagt Ines Lacroix. Immerhin passe das abendliche Proben nicht zu dem längst verinnerlichten Zeitablauf von Löwen und Giraffen.

Und beim Menschen sind in der abendlichen Ruhe die Sinne anders gefordert. Man rieche, höre und sehe den Zoo ganz anders, sagt Schriftstellerin Gröschner, die sich in Vorbereitung ihres Textes viel mit großen und kleinen, exotischen und heimischen Tieren beschäftigt hatte. Sie recherchierte zur Geschichte des Zoos und zum sexuellen Verhalten der Tiere und las im populären Lexikon über das bizarre Sexualleben der Tiere. Das sei aber nur Gedankengeber gewesen für den von ihr erarbeiteten Text, der die Tier- und die Menschenwelt verbinden solle und sich anlehne an literarische Weltliteratur und Frauengestalten wie Marilyn Monroe, Jane, die auf Tarzan wartet, und die griechische Göttin der Liebe.

Der Zoo als Bühne ist für alle Beteiligten – allesamt Profis ihres Fachs – Neuland und mehr als nur Kulisse, wie Ines La­croix betont. „Das Stück ist ein Plädoyer für das Leben“, sagt sie.

Unabhängig von diesem Plädoyer – was erwartet die Zoo-Theater-Gäste? Wohl an die zweieinhalb Kilometer Fußweg. Ein Tierreich bar jeder moralischen Bewertung. Ines Lacroix sagt: Ein Miniaturtheater mit 20 Bühnenbildern, eben ganz viele Welten auf kleinem Raum. Regisseurin Rosmarie Vogtenhuber: Es ist eine Wanderung mit dicht gebauten Szenen.

„Wir haben ganz viel gelernt von Dingen, von denen wir noch nie etwas gehört haben“, sagt Autorin Gröschner. Zum Beispiel? Der Tiefsee-Anglerfisch mit seinem eigentümlichen Aussehen. Das Weibchen ist groß, das Männchen ganz klein. Gröscher weiß jetzt, wie sie sich fortpflanzen, und erzählt es. Verraten wird es hier nicht. Wer auch das erfahren will, sollte sich mit auf den Zoo-Rundgang begeben.